fdoell
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Re: Gekündigtes Gewerk neu ausgeschrieben - Was kommt in den Kostenanschlag?
Guten Tag,
zur Beantwortung der Fragestellung muss zwischen dem Kostenanschlag als Basis für die voraussichtlich auf den Bauherrn zukommenden Baukosten und dem Kostenanschlag als Basis zur Honorarberechnung unterschieden werden (für die Leser: nach HOAI 1996/2002 wurde Lph. 5-7 auf Basis des Kostenanschlags vergütet, das ist seit der HOAI 2009 nicht mehr so!).
Der Kostenanschlag als vertraglich geschuldete Leistung zur Baukostenabschätzung ist die Zusammenstellung der voraussichtlichen Baukosten auf Basis der Unternehmerangebote; bei Ausschreibungen parallel zur Bauausführung anderer Gewerke wird die Abschätzung der Gesamtbaukosten sich teilweise aus bereits abgerechneten IST-Kosten einzelner Gewerke, der Prognose von Baukosten gerade im Bau befindlicher Gewerke und neuen Angeboten zusammensetzen; bei noch nicht ausgeschriebenen Gewerken möglicherweise auch noch mit den Kostenangaben aus der Kostenberechnung. Eine solche Baukostenabschätzung ist also zeitlich und inhaltlich "im Fluss".
Anders dagegen der Kostenanschlag als Basis der Honorarberechnung. Hierunter wird die Zusammenstellung aller i.d.R. nur einmal ausgeschriebenen Gewerkeangebote verstanden, d.h. er kann erst nach Vorliegen der Angebote für alle Gewerke erstellt werden. Wird ein Gewerk (ganz oder teilweise) mehrfach ausgeschrieben, handelt es sich um wiederholte Grundleistungen, für deren Abrechnung die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt hat, da diese Fälle nicht in der HOAI geregelt sind. Dazu gehört vor allem, dass der Mehraufwand für wiederholte Grundleistungen nach HOAI-Tabellen und nicht als Zeithonorar zu berechnen ist.
Nun zu Ihrer Frage:
Der Kostenanschlag als Basis der Baukostenabschätzung muss natürlich die gesamten anfallenden Kosten, also 160.000 € beinhalten.
Als Basis der Honorarberechnung sind die auf Basis des Kostenanschlags abzurechnenden Leistungsphasen zu unterscheiden.
In Lph. 5 Ausführungsplanung ergeben sich nach Kündigung nachträgliche Anpassungsmaßnahmen, Anarbeitungen und auch die Mängelbehebungen, die beim 1. AN eingefordert werden konnten und nun ausführlicher dargestellt und beschrieben werden müssen. Der Grad der Überarbeitung (wiederholte Grundleistung in Lph. 5) muss ermittelt werden und die Kosten der zusätzlichen Maßnahmen (10.000 €) gehören hier zum Kostenanschlag.
Gleichzeitig wird hier eine Leistungsänderung beschrieben (eine geänderte Ausschreibung beinhaltet vorher auch eine Planungsänderung): eine Teilfläche wird beschichtet statt gefliest. Die Leistung wird zudem von einem anderen Planer erbacht und dort vergütungspflichtig. Beim Hauptplaner entfallen die Kosten dafür in den Lph., in denen er keine Leistungen dafür erbringt. Offen ist, inweit das andere Büro Lph. 7 und 8 hierfür erbracht hat oder ob diese Leistungen wieder beim Hauptplaner lagen. Für das weitere Beispiel soll deshalb diese Planungsänderung außer Acht gelassen werden, da sie das Beispiel verkompliziert.
In Lph. 6 werden für die geänderten Leistungen Ausschreibungen neu erstellt und die noch nicht erbrachten Leistungen aus dem 1. LV übernommen. Hier gilt grundsätzlich dasselbe zu den anrechenbaren Kosten wie bei Lph. 5.
Lph. 7 muss für die 2. Ausschreibung komplett neu erbracht werden und beinheltet ebenfalls die vorgenannten Änderungen.
Bleibt die Frage, welche Kosten (über die Änderungen und Anarbeitungen hinaus) noch anrechenbar sind - 100.000 € aus der
ersten Ausschreibung oder 120.000 € aus der 2. Ausschreibung (wobei aus der Beschreibung nicht ganz klar wird, ob hierin die Anarbeitungen und Mängelbeseitigungen und die beschichtete Fläche enthalten sind oder nicht; hier wird einmal angesetzt, dass diese Kosten zusätzlich anfallen). Unterstellt man verhandlungsmäßig einen Mittelwert, wären es 110.000 € plus die Kosten für Anarbeitungen und Mängelbeseitigung.
Also zusammenfassend:
Lph. 5 und 6 teilweise nochmal, aK i.M. 110.000 + Anarbeitungen und Mängelbeseitigungen 10.000 €
Lph. 7 komplett noch einmal, aK wie vor.
Korrekt ist nun eine anteilige Bestimmung des Honorars z.B. wie folgt: der Anteil des Gewerks am Gesamtgebäude sei beispielsweise 3,67%. Damit entfällt auf das Honorar hierfür ebenfalls ein Anteil von 3,67% am Gesamthonorar. Die Leistung ist nun zu x % in Lph. 5, zu y % in Lph. 6 und zu 100 % in Lph. 7 zu wiederholen, woraus sich das Wiederholungshonorar ergibt.
Annahme: Anrechenbare Kosten 3 Mio. €, Hz III min. Grundhonorar für Lph. 1-9 nach § 16.1 HOAI 1996/2002 = 217.541 €. Anteil Fliesen 110.000/3.000.000 = 3,67% = 7.976,50 €. Für Lph. 5 fallen beispielsweise 5 von 25% erneut an, für Lph. 6 ebenfalls ein Fünftel, hier also 2 %, und Lph. 7 mit 4% komplett neu. Gesamtes Honorar für die Wiederholungsleistungen: 5+2+4 = 11% des anteiligen Honorars von 7.976,50 €, somit 877,41 € (zuzügl. ggf. Umbauzuschlag, Nebenkosten, MWSt.).
Zu beachten ist, dass dazu noch einige Besondere Leistugen kommen können, dieren Erbringung jedoch vorher vertraglich geregelt werden sollte. Siehe hierzu einen Aufsatz von SIEMON zu Leistungen bei einer Unternehmerinsolvenz unter https://www.iww.de/pbp/archiv/honorarmanagement-verguetung-ihres-mehraufwands-bei-insolvenz-des-auftragnehmers-f37658.
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Herzliche Grüße
Friedhelm Doell
Beratender Ingenieur
HOAI-Sachverständiger
www.doellconsult.de
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