bento
09.07.2008 at 19:36 Uhr
|
Re: Freiberufler in Dienstverträgen
Hallo Herr Döll,
wenn man ganz ehrlich ist, dann hat die freie Mitarbeit für den Arbeitgeber (fast) nur Vorteile, insbesondere in wirtschaftlich nicht so prickelnden Jahren und davon gab's in den letzten 15 Jahren so einige.
Er kann flexibel agieren, ohne ein Beschäftigungsrisiko einzugehen. Die (Honorar-)Kosten liegen normalerweise unterhalb dessen, was er an Gehalt inkl. Sozialleistungen zahlen müsste. In der Hoffnung, irgendwann mal fest angestellt zu werden, versuchen die freien Mitarbeiter jeden Tag über sich hinaus zu wachsen. Und zuletzt: Eine flexiblere Möglichkeit der Suche nach dem fähigsten Mitarbeiter gibt es nicht.
Umgekehrt sieht es in den meisten Fällen beim freien Mitarbeiter aus.
Der Arbeitsplatz ist unsicher. Die Bezahlung meistens relativ schlecht.
Ich kenne Architekturbüros und Statiker, die fast nur mit freien Mitarbeitern arbeiten und viele von denen sind mit ihrer finanziellen Lage überhaupt nicht einverstanden, hatten aber -zumindest vorübergehend - keine andere Möglichkeit gefunden, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Nicht umsonst wird das Feld der freien Mitarbeiter überwiegend von Berufsanfängern gestellt, denen die Berufserfahrung und damit die Eintrittskarte in den ersten Arbeitsmarkt fehlt. Die Leute arbeiten sogar teilweise umsonst, um die Möglichkeit zu erhalten, Ihren Lebenslauf mit einigen Jahren in einem renomierten Architekturbüro aufzupolieren.
Ich habe bisher noch nie erlebt, dass ein Büro damit geworben hat, freie Mitarbeiter zu beschäftigen. Warum wohl nicht? Weil's bei Auftraggebern eher ein gegenteiliges Geschmäckle erzeugen würde!
Wenn freie Mitarbeiter im Rahmen ihrer Tätigkeit auch noch die HOAI-Abrechnungen für den "Arbeitgeber" schreiben müssten, dann wären garantiert 80 % im Hinblick auf das eigene Honorar suizidgefährdet.
Wenn man weniger bekommt als der Technische Zeichner oder gar der Praktikant, dann grenzt das eben an moderne Zuhälterei.
Jetzt höre ich aber auf zu schimpfen.
Es soll ja auch freie Mitarbeiter geben, die fair entlohnt werden und mit ihrer Tätigkeit zufrieden sind.
Ich wollte hier nur aufzeigen, dass die Büros die HOAI mit ihren Mindestsätzen haben, aber die freien Mitarbeiter noch nicht einmal eine Art Mindestlohn.
Ich möchte die Frage von Frau Zeh aber mal weiterspinnen:
Was würde passieren, wenn öffentliche Auftraggeber für ihre Projekte aus Kostengründen nur noch Dienstverträge mit freien Mitarbeitern und keine Werkverträge mit Architektur- oder Ingenieurbüros mehr abschließen würden? Für das verlagerte Haftungsproblem könnte man ja eine Versicherung abschließen!
Viele Grüße
bento
|