fdoell
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Re: Kündigung des Architekten während der Bauphase
Guten Tag mb4711,
wenn Sie dem Architekten aus Gründen, die in seiner Einflußsphäre liegen, kündigen, hat er Anspruch auf das Honorar für die erbrachten Leistungen, wobei ein evtl. Schadensersatz Ihrerseites gegenzurechnen wäre. Das müssen Sie allerdings beweisen, dass der Kündigungsgrund bei ihm liegt. Kündigen Sie dagegen aus Gründen, die nicht in der Einflußsphäre des Architekten liegen, hat er i.d.R. Anspruch auf das volle Honorar abzüglich der ersparten Aufwendungen. Bei kleinen Büros können die schon mal Null sein, wenn sich das Büro darauf eingestellt hat, sich ausschließlich um Ihr Projekt zu kümmern und davon in den nächsten Wochen zu leben.
Aber warum wollen Sie denn kündigen? Wenn Sie kein Vertragsverhältnis mehr haben, wird es schwieriger, Ihre Schadensersatzforderungen durchzusetzen.
Ich empfehle Ihnen, einmal die HOAI § 15 durchzulesen (ggf. auch einen Kommentar dazu, das ist gut investiertes Geld) und zu schauen, welche Grundleistungen Ihr Architekt denn bislang erbracht hat, insbesondere welche Kostenermittlungen Ihnen vorliegen - die Kostenschätzung nach der Vorplanung, die Kostenberechnung nach der Entwurfsplanung, Kostenanschläge jeweils nach den Vergabevorschlägen für die ausführenden Unternehmen. Lassen Sie sich fehlende Kostenermittlungen geben und bestehen Sie auf der HOAI-Grundleistung des Vergleichs der letzten Kostenermittlung mit der davorliegenden und der Begründung von Abweichungen. Wenn Sie daraufhin sehen, dass das ganze deutlich teurer wird als geschätzt oder berechnet und auch warum, haben Sie grundsätzlich mehrere Möglichkeiten:
1. Sie akzeptieren die höheren Gesamtkosten und schaffen auch die Finanzierung dazu. Die Mehraufwendungen gegenüber einer gleich in voller Höhe wirksamen Finanzierung (höhere Zinsen, Zusatzgebühren, eigener Zeitaufwand etc.) fordern Sie als Schadensersatz vom Architekten zurück (per Gegenrechnung, dies ist evtl. ein Fall für seine Planungshaftpflichtversicherung, wenn er Schäden aus fehlerhaften Kostenermittlungen versichert hat).
2. Sie schaffen die Finanzierung nicht und müssen umplanen lassen, um mit den Kosten noch einigermassen hin zu kommen. Fordern Sie den Architekten (mit dem Beistand eines Fachanwalts für Bau- und Architektenrecht) auf, umgehend Vorschläge hierzu zu unterbreiten, um einen Gesamtkostenrahmen von x Euro, wie in der Kostenberechnung vom (Datum) ausgeweisen, einzuhalten. Teilen Sie ihm mit, dass die Mehrkosten der Umplanung und evtl. des Umbaus zu seinen Lasten gehen und er bitteschön seine Planungshaftpflichtversicherung informieren möge.
Überlegen Sie, was Sie gemacht hätten, wenn Ihnen von vornherein bekannt gewesen wäre, dass das vorgesehene Gebäude Ihnen zu teuer gewesen wäre. Hätten Sie kleiner gebaut? Mit anderer Ausstattung und weniger Komfort? Oder gar nicht? Bewegen Sie die Gedanken des Architekten in Richtung Nachbesserung nach Ihren Wünschen.
Das ist ein gewaltiger Kraftakt, auch emotional, der in so einem Fall auf Sie zukommt. Aber da müssen Sie leider durch. Vergessen Sie Ihren Seelenfrieden und ihren köperlichen Streßabbau dabei nicht!
Wenn Sie dagegen kündigen, was machen Sie denn dann mit einem neuen Architekten? Dasselbe wie oben beschrieben und holen sich dann das Geld vom alten Architekten zurück? Da gibt es evtl. ein kleines Problem: der Architekt handelt nach Werkvertragsrecht, d.h. er schuldet ein fertiges Werk (Planung / einwandfreies Gebäude o.ä.). Sie müssen ihm die Möglichkeit zur Nachbesserung geben, wenn Ihnen das irgendwie zumutbar ist. Erst wenn diese (mit Fristsetzung und allen rechtlich erforderlichen Randbedingungen, fragen Sie Ihren Anwalt) erfolglos blieb, können Sie eine Ersatzvornahme mit einem anderen Architekten eingehen und alle Mehrkosten vom alten Architekten verlangen. Nur wenn Ihnen eine Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist (auch dies ist weniger ein emotionales als ein juristisch/technisches Problemfeld, besprechen Sie das ebenfalls mit Ihrem Anwalt), können Sie evtl. gleich kündigen und alle Mehraufwendungen als Schadensersatz fordern. Die entscheidende Frage dabei ist wohl, wie zerrüttet Ihr Verhältnis mit dem Architekten bereits ist und ob Sie sich eine Zusammenarbeit unter definierten Randbedingungen noch vorstellen können.
Wie auch immer Sie sich entscheiden, klären Sie vorab die juristisch richtige Vorgehensweise und sorgen Sie dafür, dass der Architekt seine Haftpflichtversicherung benachrichtigt. Mit den Leuten können Sie evtl. klarer und emotional unbelasteter reden als mit dem Architekten.
Ich drücke Ihnen die Daumen! Und berichten Sie doch mal gelegentlich, wie es weiterging.
Herzliche Grüße
Friedhelm Doell
Beratender Ingenieur
HOAI-Sachverständiger
www.doellconsult.de
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Herzliche Grüße
Friedhelm Doell
Beratender Ingenieur
HOAI-Sachverständiger
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