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smngkoeln
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HOAI vor dem EuGH
Seit gestern besteht Gewissheit:
Die Europäische Kommission hat Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Die Kommission sieht die in der HOAI geregelten Mindest- und Höchsthonorare als unverhältnismäßiges Hindernis im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen an.
Die Bundesregierung hatte versucht, dieses Szenario abzuwenden und die HOAI gegenüber der Kommission verteidigt - leider ohne Erfolg.
Eine Prognose, wie der EuGH entscheiden wird, wird hier wohl niemand wagen. Aber vielleicht haben Sie eine Meinung, welche Auswirkungen es auf das Baugeschehen hätte, wenn die Mindest- und Höchstsätze fallen würden?
Beste Grüße aus Köln
Andreas Schmidt
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RA Dr. Andreas Schmidt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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18.11.2016 at 16:56 Uhr |
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kleinsteff
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Re: HOAI vor dem EuGH
quote: smngkoeln wrote:
Eine Prognose, wie der EuGH entscheiden wird, wird hier wohl niemand wagen. Aber vielleicht haben Sie eine Meinung, welche Auswirkungen es auf das Baugeschehen hätte, wenn die Mindest- und Höchstsätze fallen würden?
Ich denke, es wäre der Anfang eines beispiellosen Preiskampfes.
Ich fürchte, dass die HOAI mittelfristig fallen wird. Die Bauherren sind durch geltendes Haushaltsrecht und die VgV angehalten bzw. verpflichtet, das wirtschaftlichste Angebot zu wählen. Am Beispiel einer Kommune wird's hier dann interessant: der Bauamtsleiter stellt dem Bauausschuss oder Gemeinderat 5 Angebote von Ingenieurbüros vor, die dann z.B. 100% auseianderliege. Ich würde wetten, dass der billigste den Zuschlag erhält, fast egal was er angeboten hat.
Die HOAI bietet aktuell wenigstens noch grobe Umrisse, "was alles zu tun ist". Sobald die dann nicht mehr gilt, wird der wirtschaftliche Erfolg eines Planers/Büros davon abhängen, wie wenig Inklusivleistungen und wie viel Exklusleistungen er in Angebot zur Planung eines Objektes anbietet und wie sehr er damit den Bauherrn "verschaukeln" kann.
Ergänzung: wir Planer/Büroinhaber/Freiberufler müssen anfangen, den Mehrwert einer guten Planung zu "promoten". Selbst wenn sich 90% aller Planer mit einem Art "Ehrenkodex" nicht unter gewisse Stundensätze oder Pauschalen in Anlehnung an die letzte HOAI halten würden, gibt es trotzdem etliche, die einfach gnadenlos drunter gehen werden bzw. das schon jetzt tun. Bis die Bauherren dann "gebrannte Kinder" sind, wird der Markt wohl eine Bereinigung erfahren. Gerade große Büros mit sehr hohen Nebenkosten dürften dann echte Probleme bekommen.
[Edited by kleinsteff on 21.11.2016 at 10:01 Uhr]
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21.11.2016 at 09:50 Uhr |
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smngkoeln
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Re: HOAI vor dem EuGH
Finde ich interessant, dass Sie Probleme vor allem bei den größeren Büros erwarten. Häufig hört man ja, die HOAI schütze vor allem die kleineren Büros.
Wahrscheinlich ist es aber auch einfach so, dass alle Büros so oder so betroffen sein werden.
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RA Dr. Andreas Schmidt
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21.11.2016 at 10:16 Uhr |
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C.Zeh
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Re: HOAI vor dem EuGH
Mich würde interessieren, wie sich die Kammern dazu stellen.
Und ich denke, wenn die HOAI fällt, fallen als nächstes die Honorartabellen für Ärzte und weitere Dienstleister.
Gibt es dann die Arbeiten der Intelligenz und Wissenschaftliche Leistungen in Deutschland zum Dumpingpreis ?
[Edited by C.Zeh on 21.11.2016 at 10:59 Uhr]
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21.11.2016 at 10:59 Uhr |
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kleinsteff
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Re: Re: HOAI vor dem EuGH
quote: smngkoeln wrote:
Finde ich interessant, dass Sie Probleme vor allem bei den größeren Büros erwarten. Häufig hört man ja, die HOAI schütze vor allem die kleineren Büros.
Nimmt man als Beispiel eine "kleine Kommune und ein Baugebiet mit 30 Parzellen: ein Freiberufler plant ordentlich und fachlich korrekt die Ver- und Entsorgung sowie die Verkehrsanlagen von Januar bis Dezember und vereinnahmt hierfür runde 200.000 Euro Honorar. Auch wenn er das für die Hälfte, also 100.000 Euro, tun müsste, könnte er noch davon leben, auch wenn er keine weiteren Projekte parallel hätte. Ob ein "großes Büro" auch kostendeckend für die Hälfte arbeiten könnte, wage ich zu bezweifeln.
quote: C.Zeh wrote:
Mich würde interessieren, wie sich die Kammern dazu stellen.
(...)
Gibt es dann die Arbeiten der Intelligenz und Wissenschaftliche Leistungen in Deutschland zum Dumpingpreis ?
1. Die Kammern: Ich gehe davon aus, dass den Bürokraten in Brüssel das herzlich egal sein wird.
2. Nein, es wird billiges Halbfachwissen geben mit schlechten Service für die Bauherren und wenig Hirschmalz im Detail. Die Qualität wird auf alle Fälle breiflächig sinken.
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21.11.2016 at 13:54 Uhr |
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C.Zeh
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Re: HOAI vor dem EuGH
@.. kleinsteff..
fehlt nur der Slogan: " Weil WIR es uns WERT sind"
traurig....
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21.11.2016 at 15:28 Uhr |
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kleinsteff
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Re: Re: HOAI vor dem EuGH
quote: C.Zeh wrote:
@.. kleinsteff..
fehlt nur der Slogan: " Weil WIR es uns WERT sind"
traurig....
Was denken Sie, wie sich die Situation entwickeln würde?
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22.11.2016 at 05:59 Uhr |
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smngkoeln
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Re: HOAI vor dem EuGH
Es gibt ja auch bei den Architekten-/Ingeneurleistungen Bereiche, die schon jetzt dereguliert sind, etwa die Beratungsleistungen nach Anlage 1, die Wertermittlung oder auch die Projektsteuerung. Sehen Sie in diesen Bereichen einen Preisverfall?
Wir haben seit einigen Jahren im anwaltlichen Bereich bei der außergerichtlichen Beratung keinen gesetzlichen Gebührentatbestand mehr. Gleichwohl glaube ich nicht, dass wir zu Dumpingpreisen beraten.
Aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Das soll nicht heißen, dass ich das Preisrecht für entbehrlich halte. Aber selbst wenn es wegfiele: Glauben Sie wirklich, die Architekten würden künftig flächendeckend mit Dumpingpreisen in den Markt gehen? Das kann ja vielleicht im Einzelfall mal funktionieren, aber doch nicht im großen Stil. Also ich würde jedenfalls nicht auf ein Mandat bieten, bei dem ich absehen kann, dass ich nicht auf meine Kosten komme. Warum sollten Architekten dies tun?
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RA Dr. Andreas Schmidt
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22.11.2016 at 07:46 Uhr |
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kleinsteff
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Re: Re: HOAI vor dem EuGH
quote: smngkoeln wrote:
Es gibt ja auch bei den Architekten-/Ingeneurleistungen Bereiche, die schon jetzt dereguliert sind, etwa die Beratungsleistungen nach Anlage 1, die Wertermittlung oder auch die Projektsteuerung. Sehen Sie in diesen Bereichen einen Preisverfall?
Wir haben seit einigen Jahren im anwaltlichen Bereich bei der außergerichtlichen Beratung keinen gesetzlichen Gebührentatbestand mehr. Gleichwohl glaube ich nicht, dass wir zu Dumpingpreisen beraten.
Aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Das soll nicht heißen, dass ich das Preisrecht für entbehrlich halte. Aber selbst wenn es wegfiele: Glauben Sie wirklich, die Architekten würden künftig flächendeckend mit Dumpingpreisen in den Markt gehen? Das kann ja vielleicht im Einzelfall mal funktionieren, aber doch nicht im großen Stil. Also ich würde jedenfalls nicht auf ein Mandat bieten, bei dem ich absehen kann, dass ich nicht auf meine Kosten komme. Warum sollten Architekten dies tun?
Ich hoffe, Sie behalten Recht und ich hoffe ehrlich, dass mich mein Gefühl täuscht.
Ich glaube nicht, dass nach der HOAI "alles vor die Hunde gehen wird", aber es wird in vielerlei Hinsicht sehr wahrscheinlich schwerer, Honorare durchzusetzen, die Know-How belohnen und nicht die stupide Arbeitszeit.
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23.11.2016 at 10:02 Uhr |
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C.Zeh
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Re: HOAI vor dem EuGH
Ok, ich arbeite nicht als Planer, aber als Gutachter. Schon jetzt ist festzustellen,dass der Preiswettbewerb sich in einer Vielzahl von Bauschäden manifestiert, weil einfach vieles aus Zeitdruck nicht mehr gründlich geplant wird. Oft wird sich auf das Wissen von Handwerkern verlassen, die werden es vor Ort dann schon richten, hofft man.
In Zeiten von sich immer mehr verschärfenden technischen Anforderungen an Gebäude hab ich kein gutes Bauchgefühl.
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23.11.2016 at 10:11 Uhr |
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CT1956
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Re: HOAI vor dem EuGH
Sehr geehrte Damen und Herren,
prinzipiell kann ich die europäische Kommission bzw. den Antragsteller vor dem EuGH schon verstehen. Wenn man einen offenen europäischen Markt will, dann müssen einheitliche Regeln gelten, wie bei der PKW-Maut gerade geübt wird. Es kann sich heute sicherlich niemand mehr vorstellen, dass in den USA in jedem Staat diesbezüglich und in ähnlichen Fällen andere Regeln gelten, Ausnahmen bestätigen die Regel. Langfristig führt auch in Europa daran kein Weg vorbei, Föderalismus hin oder her.
Die Frage stellt sich nur, ob jemand sicher prognostizieren kann, wie die Wirtschaft sich entwickeln wird, wenn die HOAI-Bindung abgeschafft wird. Im Begründungstext zur HOAI steht erläuternd, dass die HOAI einerseits ruinösen Wettbewerb unter Planern vermeiden, andererseits aber auch dem Schutz des Bauherrn und Auftraggebers dienen soll.
Wie sieht es in der Praxis aus? Es gibt etliche Projekte, in denen erst im Laufe der Beratung entwickelt wird, was überhaupt geplant werden soll. Eine Zeit lang gibt es dafür keinen Auftrag. Man kann auch keine richtigen Kosten beziffern, da die Aufgabenstellung erst erarbeitet werden muss. Dann kommt der Zeitpunkt, an dem die Planung begonnen werden soll. Dann könnte der Bauherr, wenn Angebot und Auftrag nicht rechtzeitig erfolgen, mit überhöhten Angeboten parallel zur Planung oder sogar erst kurz vor Ausführung erpresst werden, "Sonst gebe ich meine Pläne nicht 'raus". Das verhindert heute der Höchstsatz, - solange kein Vertrag abgeschlossen wird, sogar nur den Mindestsatz. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite der Medaille ist, dass es Planer geben wird, die sehr günstig anbieten, dafür viele Teilleistungen weglassen (die der Bauherr vielleicht auch nicht braucht). Das gibt es aber heute im privaten und im halböffentlichen Bereich allenthalben. Nur staatliche Aufgaben (Land und Bund) sind geregelt und arbeiten streng nach HOAI. Selbst in Gemeinde- und Kreisprojekten wird die HOAI häufig unterlaufen, auch durch städtische Mitarbeiter mittels emotionalem Druck durchgesetzt. Damit leben wir heute schon.
Was wird sich also ändern? Ich persönlich glaube, dass sich nicht allzu viel ändern wird. Zurzeit wird die Spreu durch die HOAI geschützt, sie bekommt genauso viel Geld, wie der Weizen.
Bei freier Preiswahl werden sich Spreu von Weizen besser trennen lassen, auch wenn es ein paar Projekte und jahrelang dauern wird. Zu Anfang werden die Billigheimer den einen oder anderen Auftrag wegschnappen. Sie bekommen aber trotz Schlechtleistung nicht mehr den vollen HOAI-Satz. Und dann weiß das der Bauherr bereits bei Angebot oder Auftragserteilung, nicht erst nach Ablieferung der billigen Planung.
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Dipl.-Ing. (FH) Christian Tietje
Energie- und Wärmetechnik
Gießen 1983
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23.11.2016 at 17:46 Uhr |
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kleinsteff
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Re: Re: HOAI vor dem EuGH
quote: CT1956 wrote:
Was wird sich also ändern? Ich persönlich glaube, dass sich nicht allzu viel ändern wird. Zurzeit wird die Spreu durch die HOAI geschützt, sie bekommt genauso viel Geld, wie der Weizen.
Bei freier Preiswahl werden sich Spreu von Weizen besser trennen lassen, auch wenn es ein paar Projekte und jahrelang dauern wird. Zu Anfang werden die Billigheimer den einen oder anderen Auftrag wegschnappen. Sie bekommen aber trotz Schlechtleistung nicht mehr den vollen HOAI-Satz. Und dann weiß das der Bauherr bereits bei Angebot oder Auftragserteilung, nicht erst nach Ablieferung der billigen Planung.
Auf welcher Grundlage kann eine freie Preiswahl erfolgen? Vielleicht in den ersten 1-5 Jahren noch "in Anlehnung" an die HOAI 2013, aber dann?
Ein Weg wäre, dass Fachverbände oder Ministerien wieder "Leitlinien" zur Honorargestaltung bringen.
Ich sehe das große Problem der Kalkulation unserer Leistungen darin, dass - wie schon erwähnt wurde - der genaue Umfang von Anfang an überhaupt nicht ersichtlich ist. Zudem verstehe ich die Honorare gem. HOAI auch so, dass wir anteilig der (Anrechenbaren) Kosten auch für das von uns getragene Risiko entlohnt/entschädigt werden. Ich denke, unsere Leistungen nach Stundensätzen abzurechnen/kalkulieren, würde in anfangs utopischen Stundensätzen gipfeln, will man wieder auf die Honorare kommen, wie sie einen durch die HOAI zustehen. (ich habe das Thema "ausreichende Stundensätze" bereits [url=http://www.hoai.de/forum/viewtopic.php?TopicID=2572]HIER[/url] diskutiert).
Wir liefern nun mal nicht wie der Schreiner einen Tisch oder der Bäcker ein Brot, sondern lediglich know-how, dass im besten Fall auf 1-x Leitz-Ordner im schönen Gewand ersichtlich wird.
Ich hoffe, Sie haben Recht, dass sich wenig ändern wird. Überzeug bin ich davon aber noch nicht. Ich erinnere noch einmal vorsichtig an die Abhängigkeit VgV, Haushaltsrecht und (derzeit noch) HOAI. Sobald das Preisrecht gestürzt ist, könnten auch "Generalplaner" aus dem Ausland endgültig hier versuchen Fuß zu fassen. Ein Bauamtsleiter oder Bürgermeister, dem mehrere Angebote über "die gleiche Leistung" vorliegen wird seine Müh und Not haben, a) dem Gemeinderat oder Bauausschuss zu erklären, dass nicht das billigste Angebot, sondern vielleicht das 50% teurere Angebot besser ist und b) seinem Kämmerer davon zu überzeugen, dass das teurere Angebot zu wählen auch noch rechtens ist und nicht im Konflikt mit Haushaltsrecht und VgV steht.
Die Tatsache, dass dies alles so wenig diskutiert wird, kann aber zwei Gründe haben:
1. ich überschätze das Ganze maßlos
2. der Rest unterschätzt das Ganze maßlos.
Ich für meinen Teil bin lieber vorbereitet ;-)
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24.11.2016 at 06:28 Uhr |
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IBSz
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Re: HOAI vor dem EuGH
Offener europäischer Markt, wenn ich das schon höre.
Ich bin Inhaber eines Konstruktionsbüros und erstelle in der Hauptsache die Ausführungsplanung für Stahlbeton.
Schon jetzt ist es so, dass ich u.a. mit polnischen Büros konkurrieren muss. Erst neulich hatte ich den Fall, dass ein großer Auftrag an ein polnisches Büro ging, das für 25,- Euro/Stunde angeboten hatte.
Schon jetzt sind die Mindestsätze für die Ausführungsplanung (Tragwerksplanung Lph5) nach HOAI sehr gering. Wenn man sich anstrengt, schnell arbeitet und keine größeren Unstimmigkeiten auftreten, kommt man mit Lph5 etwa auf einen Schnitt von 45-50 Euro/Stunde - wenn man den Mindestsatz zu Grunde legt. Dies ist also schon enorm wenig.
Eigentlich sollte man versuchen mehr als den Mindestsatz zu bekommen, was oft schwierig ist. Oft muss aus anderen, besser honorierten Leistungsphasen etwas zur Lph5 zugeschossen werden.
Hier einmal zum Vergleich, der neueste HOAI Kommentar von Jochem/Kaufhold errechnet Stundensätze (ohne Risiko und Gewinnzuschlag) in Abhängigkeit des monatlichen Bruttolohnes eines Angestellten wie folgt:
- 2000,- Brutto -> 36,49 EUR/Std. Bauzeichner
- 3000,- Brutto -> 49,73 EUR/Std. Techniker
- 4500,- Brutto -> 68,60 EUR/Std. Ingenieur
- 7000,- Brutto -> 98,16 EUR/Std. Büroinhaber, AN
Auf diese Sätze müsste nun noch Wagnis und Gewinn hinzu gerechnet werden (ca. 15%).
Das zeigt schon, dass die polnischen Büros mit 25,- EUR/Std. etwa einem Angestelltengehalt von 1370,- EUR Brutto entsprechen. Bei Steuerklasse 1 würde das ungefähr einem Nettolohn von 1000,- EUR entsprechen... Mehr muss man dazu wohl nicht sagen.
Die HOAI ist deshalb auch ein Schutz, da wir in Deutschland auf Grund unserer Kostenstruktur und sehr hohen Steuer- und Sozialabgaben überhaupt nicht mit den Stundensätzen anderer (ost)europäischer Länder mithalten könnten.
Speziell für die Ausführungsplanung im Stahlbetonbau würde ich bei Abschaffung der HOAI prognostizieren, dass diese Planung komplett aus Deutschland verschwindet und in Zukunft nur noch im (osteuropäischen) Ausland hergestellte Pläne auf der Baustelle landen. Mittlerweile gibt es auch (unseriöse) Anbieter, die hier in Deutschland zwar eine Adresse haben, aber nur als Mittelsmänner fungieren und die Pläne in Vietnam zeichnen lassen. Entsprechend können die für 30% des Mindestsatzes anbieten.
Bisher ist das illegal. Mit Abschaffung der HOAI würde dies legalisiert.
[Edited by IBSz on 25.11.2016 at 12:14 Uhr]
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25.11.2016 at 12:01 Uhr |
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smngkoeln
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Re: HOAI vor dem EuGH
Die Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland kennen wir ja zur Genüge aus anderen Branchen. Ich denke da zum Beispiel an das Verlagswesen, wo ein Großteil der Produktion mittlerweile in Indien stattfindet. Der Druck findet dann wiederum woanders statt, meist in Europa, damit die Transportwege nicht ganz so weit sind. Dass die Bücher dadurch billiger geworden sind, habe ich indes noch nicht feststellen können (im Gegenteil).
Ich warte nur darauf, dass jemand auf die Idee kommt, wir könnten unsere anwaltlichen Schriftsätze doch auch sonstwo anfertigen lassen...
Was mich interessieren würde: Wie steht es eigentlich um die Qualität einer Ausführungsplanung, die in Polen oder Vietnam angefertigt wurde? Haben Sie dazu Erfahrungswerte?
Rechtlich wäre dann interessant, ob unsere Haftpflichtversicherer im Schadensfall eigentlich zahlen, wenn sich herausstellt, dass man in Vietnam zeichnen lassen hat...
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RA Dr. Andreas Schmidt
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25.11.2016 at 14:28 Uhr |
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IBSz
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Re: Re: HOAI vor dem EuGH
quote: smngkoeln wrote:
Was mich interessieren würde: Wie steht es eigentlich um die Qualität einer Ausführungsplanung, die in Polen oder Vietnam angefertigt wurde? Haben Sie dazu Erfahrungswerte?
Ja, da habe ich ein paar Erfahrungswerte. Normalerweise wird die Statik (Genehmigungsplanung Lph4) in Deutschland gemacht. Auch die Schalpläne (Lph5 b), weil diese einen hohen Abstimmungsaufwand mit dem Architekten nach sich ziehen. Wegen der Sprachbarriere (und Zeitverschiebung) kann dies kaum ins Ausland verschoben werden. Hauptsächlich die Bewehrungspläne + Stahllisten (Lph 5c+d), die vom Arbeitsaufwand etwa 2/3 der Ausführungsplanung darstellen, werden ins Ausland verschoben.
nach diesen Plänen werden dann die Eisen auf der Baustelle geflochten und nach den Listen die Bewehrung bestellt.
Qualitativ sind die Pläne meist sehr schlecht. Bei osteuropäischen Büros ist es oft so, dass der Inhaber mal ein paar Jahre in Deutschland gearbeitet hat und dann in seinem Heimatland ein Büro eröffnete. Die Angestellten sprechen meist kaum deutsch und kennen sich auch mit den nationalen Normen und Besonderheiten nicht aus. Wenn man bedenkt, dass das Normen- und Richtlinienwerk für Stahlbeton etwa 10 breite Ordner füllt, auch verständlich. Einfache Dinge sind meist okay, sobald es aber spezieller wird, mangelt es an der Kenntnis der Vorschriften und Erfahrungen. Es gibt dann oft Prüfauflagen und umfangreiche Nachbearbeitung der Pläne. Ob das noch rentabel ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedoch wird letztlich doch nach solchen Plänen gebaut. Hier in Dresden könnte ich da einige Bauwerke nennen.
Über vietnamesische Pläne kann ich nicht viel sagen, da ist mir nur ein Mitbewerber im Internet aufgefallen, der ganz unverblümt mit "günstigen Stundensätzen" wirbt. (Das müsste man eigentlich mal anwaltlich überprüfen lassen).
quote: smngkoeln wrote:
Rechtlich wäre dann interessant, ob unsere Haftpflichtversicherer im Schadensfall eigentlich zahlen, wenn sich herausstellt, dass man in Vietnam zeichnen lassen hat...
So weit ich weiß, müssen diese Büros auch eine Haftpflichtversicherung vorweisen. Gerade polnische Büros kennen so etwas gar nicht bzw. nicht in dieser Höhe die in Deutschland üblich ist. Ich habe auch schon von einem Fall gehört, wo auf Grund eines Planfehlers einige betonierte Stützen wieder abgerissen werden mussten und somit mehr als das gesamte Honorar des polnischen Planers an Schadenersatz drauf ging. Letztlich bekam nicht er Geld, sondern man forderte von ihm noch welches.
Dies war wohl ein großes Dilemma für den deutschen Hauptauftraggeber, der die Pläne outgesourct hatte. Seine Versicherung wollte dies nämlich auch nicht zahlen. So weit ich weiß, haftet auch ein Subunternehmer für die von ihm verursachten Schäden.
Letztlich muss man aber sagen, es gibt sicher einige ausländische Büros, die sich auf den deutschen Markt spezialisieren und dann auch gut in ihrer Arbeit werden. Umgekehrt gibt es diese Fälle ja auch, dass z.B. deutsche Büros Bauwerke in Norwegen, der Schweiz oder gar in Dubai planen.
[Edited by IBSz on 25.11.2016 at 15:28 Uhr]
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25.11.2016 at 15:27 Uhr |
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kleinsteff
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Re: HOAI vor dem EuGH
Interessant zu lesen und erschreckend zu gleich.
Ich (unsere Büro macht "klassischen kommunalen Tiefbau" gehe davon aus, dass auch in unserer Branche - also dem kommunalen Tiefbau - der übernächste Schritt sein wird, dass Generalübernehmer "1 Stück Ortsstraße" pauschal anbieten. All Inklusive. Die Planungsleistung wird dann Nebenleistung. So, wie es viele Häuslebaufirmen schon heute machen.
Was man dagegen tun kann? Ich meine, dass man sich nicht mehr länger darauf ausruhen darf, dass die Aufträge sowieso kommen, dass die Kommunen sowieso ein Büro brauchen, dass das, was wir machen, eh selbstverständlich ist. Ich meine, dass man zukünftig wesentlich besser betonen muss, was man hier macht und vielleicht der ein oder andere AG auch mal was "ohne Büro" bauen sollte. Wir müssen unsere Leistungen und der damit verbundene Mehrwert besser deutlich machen.
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26.11.2016 at 08:13 Uhr |
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C.Zeh
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Re: HOAI vor dem EuGH
Ich habe schon vor rund 18 Jahren ein Planungsbüro besucht, welches im Grenzgebiet in Tschechien ansässig war. Dort präsentierte mir der Büroinhaber ganz stolz Projekte, die bei ihm geplant (Stahlbetonbau ) und in Deutschland gebaut worden sind. Unter anderem war das eine Schallschutzmauer an einem großen deutschen Flughafen und weitere Planungen, die in der Baurealisierung Aufträge der öffentlichen Hand waren. Die Bauwerke waren GU Aufträge. Im Endeffekt werden unsere Steuergelder genommen für öffentliche Vorhaben und extra noch die Honorare gekappt. Wohin soll das führen? Wenn man dann von seiner Rente nicht leben kann, dann wird wieder aus Steuermitteln aufgestockt. So kann man ein Land auch ruinieren.
Vor zwei Jahren hatte ich eine Eigenheimabnahme, da war die Planung auch aus Polen und der Wärmeschutznachweis komplett falsch.
Wer billig baut, baut gut ! Wer billig baut, baut zweimal !
Kann ich dann auch meine örtlichen Nahverkehrsanbieter verklagen, will in Spanien die Ticketpreise niedriger sind?
[Edited by C.Zeh on 28.11.2016 at 12:08 Uhr]
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26.11.2016 at 22:44 Uhr |
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