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savigny
Level: Jr. Member
Beiträge: 2
Registriert seit: 01.08.2010
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Berücksichtigung alte Bausubstanz, alte HOAI
Guten Tag,
wir haben in Zusammenarbeit mit einem Architekten ein Einfamilienhaus umbauen lassen (LP 1-9).
In den Abschlagsrechnungen hat der Architekt die alte Bausubstanz mit einem ca.-Wert angegeben (ohne genauere Berechnungen zu diesem Wert). Bei Erhalt der Schlussrechnung nach LP 8 haben wir überrascht festgestellt, dass sich der durchschnittliche Anteil der alten Bausubstanz über die 9 Leistungsphasen im Vergleich zu den Abschlagsrechnungen verdoppelt hat, so dass sich laut dieser Aufstellung eine Nachzahlung von mehreren tausend Euro für uns ergibt.
In der Schlussrechnung ist aufgelistet welche Teile der alten Bausubstanz der Architekt mitberechnet hat und auch mit welchen Kosten pro qm. Der Architekt hat je Leistungsphase angegeben zu wieviel Prozent die alte Bausubstanz einbezogen wurde.
Auf unsere Frage wie es denn sein könne, dass der Wert der alten Bausubstanz in der Schlussrechnung im Vergleich zu den Abschlagsrechnungen so stark angestiegen ist, sagte der Architekt, dass der den Wert der alten Bausubstanz in den Abschlagsrechnungen niedriger angesetzt hat, damit es während der Bauphase nicht zu einer „Überzahlung“ kommt.
Wir haben den Architekten jetzt gebeten uns schriftlich mit einem Aufmass aufzuschlüsseln, wie er auf die Quadratmeterwerte kommt und wie er auf die Quadratmeterpreise für die alte Bausubstanz kommt.
Weiterhin haben wir Ihn gebeten uns aufschlüsseln, wie er für die einzelnen Phasen auf die prozentuale Berücksichtigung der alten Bausubstanz kommt.
Nun meine Fragen:
1. Ergibt sich aus der ca.-Wert-Angabe der alten Bausubstanz in den Abschlagsrechnungen eine rechtliche Verbindlichkeit, die den Architekten an diesen Wert bindet oder die zumindest eine Kostensteigerung um 100 %, wie in unserem Falle, unterbindet? Vertraglich hatten wir die Berücksichtigung der alten Bausubstanz leider nicht geregelt.
2. Der Architekt lehnt es ab, uns ein Aufmass zur Verfügung zu stellen und verweist auf die von Ihm erstellten Grundrisspläne. Da wir auf andere, geringere, qm-Werte als der Architekt kommen, hätten wir jedoch gerne auf Aufmass von Ihm, damit wir seine Werte nachvollziehen können. Haben wir ein Anrecht darauf?
3. Im Hinblick auf die prozentuale Berücksichtigung der alten Bausubstanz in den verschiedenen Leistungsphasen hat uns der Architekt auf die Steinfort Tabellen verwiesen. Sind diese Tabellen hier überhaupt anwendbar und falls ja, muss uns der Architekt die Tabellen zur Verfügung stellen? Im Netz finden wir die Tabellen leider nicht.
4. Muss bei der Berücksichtigung der alten Bausubstanz ein Zeitwert abgezogen werden (Das Haus ist Anfang der 60iger Jahre gebaut worden)?
Über eine Antwort auf meine Fragen freue ich mich.
Viele Grüße, Savigny
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03.08.2010 at 21:47 Uhr |
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fdoell
Level: Moderator
Beiträge: 2442
Registriert seit: 10.01.2003
IP: Logged
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Re: Berücksichtigung alte Bausubstanz, alte HOAI
Motzke/Wolff, Praxis der HOAI, führt dazu aus:
"Absatz 3 a regelt, wie und wann vorhandene Bausubstanz, die technisch oder gestalterisch mitverarbeitet wird, anrechenbar ist. Beachtlich dabei ist das Wort "oder". Es genügt also eine ausschließlich technische oder eine nur gestalterische Mitverarbeitung zur Begründung des Honoraranspruchs. Der Umfang der Anrechnung muss aber - ohne zeitliche Vorgabe - zwingend schriftlich vereinbart werden. Es besteht jedoch ein Unterschied, ob ein Bauteil nach Verordnungstext "mitverarbeitet" oder nur "mitverwendet" worden ist. Das heißt, der Planer muss die anrechenbaren Bauteile unmittelbar in seine Planung einbezogen haben. Jochem spricht von einem erforderlichen "baulichen Eingriff".
Bsp.: Ein denkmalgeschütztes Haus erfordert einen Anbau. Dabei wird beim Entwurf zumindest die betreffende Fassade gestalterisch mitverarbeitet und ist somit ebenfalls angemessen zu berücksichtigen.
Diese sehr vereinfachenden Beispiele widerspiegeln die Problematik nur ungenau. Im technischen Sektor lassen sich daher die mitverarbeiteten Teile meist noch plausibel ausfiltern, zumal wenn die Tragwerksplanung involviert ist. Im gestalterischen Bereich dagegen führen die Abgrenzungsversuche regelmäßig zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten. Wenn etwa der Rhythmus neugotischer Fensterachsen in einer denkmalschutzwürdigen Fassade bei einem Anbau, in zeitgemäße Architektur übersetzt, aufgenommen worden ist, entsteht die Frage nach dem Umfang der gestalterisch mitverarbeiteten Substanz: eine Fensterachse oder die ganze Fassade? Hier sind Rezepte wirkungslos, es kann nur der Einzelfall beurteilt werden, was zumeist zu einem Sachverständigenvotum führen wird (s. a. Frik DAB 10/88).
Was unter "angemessen" zu verstehen ist, bleibt unklar und dem Verhandlungsgeschick der Vertragspartner vorbehalten. Entscheidend wird wohl die Prüfung sein, mit welcher Intensität ein Substanzteil die Planung beeinflusst.
Probleme können bei der Frage entstehen, wie denn angerechnet werden kann. Dafür gibt es zwei Methoden: Bei genereller Einbeziehung der Restsubstanz über den Zeitwert abzüglich Abbruchkosten nicht verwendeter Teile, bei mitverwendeten Einzelteilen deren Zeitwerte."
Zu Ihren Fragen:
1. Nach § 3a HOAI 1996/2002 bedarf der Umfang der Anrechnung vorhandener Bausubstanz, die technisch oder gestalterisch mitverarbeitet wird, der schriftlichen Vereinbarung. Sie müssen also zustimmen; der bloße Ansatz einer Berechnung des Planers führt allein nicht zu einer prüfbaren und damit fälligen Rechnung. Die bisherigen Ansätze in den Abschlags- und der Schlussrehnung sind dagegen unerheblich.
2. Sofern der Planer für die erforderliche schriftliche Vereinbarung eine eigene Berechnung ansetzen möchte, ist es natürlich, dass er diese vorlegt. Wenn Sie bei gleichem Umriss (!) auf eine andere Fläche kommen, stimmt der Maßstab einer der beiden Zeichnungen wohl nicht... im Übrigen stellt sich auch die Frage, inwieweit überhaupt Grundflächen anrechenbar sind; für die technische oder gestalterische Mitverarbeitung sind ja evtl. auch Wände, Fassaden oder Dächer maßgeblich und nicht nur Grundflächen; das muss sich aber aus Ihrem konkreten Projetk ergeben.
3. Die Steinfort-Tabellen bieten - neben den Tabellen verschiedener anderer Autoren - Bewertungen der einzelnen in einer Leistungsphase genannten Grundleistungen, um z.B. nach Abbruch einer Planung das Honorar für die erbrachten Teilleistungen dieser Leistungsphase ermitteln zu können. Die erbrachten Leistungen haben jedoch direkt nichts mit vorhandener Bausubstanz zu tun. Den Zusammenhang müsste Ihnen der belegen, der ihn behauptet - Ihr Planer. Zur Fundstelle der Tabellen siehe http://www.hoai.de/forum/viewtopic.php?TopicID=64&page=0#144 (wenn Sie den Kommentar nicht gleich kaufen wollen: den gibt's vielleicht auch in einer größeren Bibliothek auszuleihen).
4. Zum Zeitwert siehe der Buchauszug oben. Ein Zeitwert ist anzusetzen.
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Herzliche Grüße
Friedhelm Doell
Beratender Ingenieur
HOAI-Sachverständiger
www.doellconsult.de
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04.08.2010 at 20:15 Uhr |
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savigny
Level: Jr. Member
Beiträge: 2
Registriert seit: 01.08.2010
IP: Logged
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Re: Berücksichtigung alte Bausubstanz, alte HOAI
Sehr geehrter Herr Doell,
vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben so ausführlich zu antworten. Ihre Antwort war sehr hilfreich für uns.
Viele Grüße
savigny
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05.08.2010 at 22:13 Uhr |
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