fdoell
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Re: Erstellen von Werk- Bauverträgen
Guten Tag G. Kienle,
zunächst vorab: in diesem Forum antworten viele Personen, von daher ist eine Erstanfrage an das Forum zu richten und nicht an einen Einzelnen. Ich habe auch nicht auf alle Fragen eine Antwort und es gibt dafür oft geeignetere Beantworter. Wir alle machen das in unserer Freizeit, von daher ist auch niemand verpflichtet, einem Fragesteller zu antworten. Wenn Sie jedoch auf eine Antwort von mir mit Namensnennung antworten, bitte ich die Schreibung meines Namens zu beachten: ich mag ihn mit ö überhaupt nicht.
Aber zu Ihrer Frage:
Die Grundleistung f) der Lph. 7 nach HOAI 2013 "Zusammenstellen der Vertragsunterlagen für alle Leistungsbereiche" ist aus der Grundleistung h) der LPh. 7 nach HOAI 2009 "Mitwirken bei der Auftragserteilung" entstanden, die es bereits in der HOAI 1996/2002 gab.
Gleich ob es um die früheren Verdingungs- (ein veralteter Begriff, die VOB hieß früher Verdingungsordnung für Bauleistungen) oder die heutigen Vertragsunterlagen geht, es handelt sich in beiden Fällen dabei nicht um das Aufstellen des eigentlichen Vertragswerks (ein Stück Papier mit den Unterschriften beider Vertragspartner), sondern um das Zusammenstellen der Anlagen dazu bzw. das schreibtechnische Ausfüllen eines Fomularvertrags des AGs.
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Zum Verständnis für alle Leser ein kleiner Exkurs:
Bei Ausschreibungen kann man "Vertragsbedingungen" und "Technische Vertragsbedingungen" unterscheiden und das jeweils mit einem der Attribute "Allgemeine", "Zusätzliche" oder "Besondere". Diese bedeuten:
AVB Allgemeine Vertragsbedingungen, z.B. die VOB/A und VOB/B für öffentliche Auftraggeber
Allgemeine technische Vertragsbedingungen sind z.B. die DIN-Normen aus der VOB/C, andere Normen des DIN, VDE, VDI usw.
Allgemeinen Bedingungen ist zu eigen, das sie nur als Ganzes vereinbart werden können und nicht auszugsweise. Welche Allgemeinen Bedingungen gelten sollen, ist in der Ausschreibung bzw. Preisanfrage anzugeben; die Anwendung der VOB ist in Deutschland für die meisten öffentlichen Auftraggeber verbindlich.
ZVB Zusätzliche Vertragsbedingungen sind solche, die ein bestimmter Auftraggeber grundsätzlich immer verwendet, um die AG-spezifischen Wünsche vertraglich umzusetzen. Im öffentlichen Sektor sind diese häufig in sog. Vergabehandbüchern vorgegeben, die sich aber auftraggeberspezifisch unterscheiden.
ZTVB Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen sind z.B. im Tiefbau üblich; sie regeln zum einen, wie bestimme Leistungen auszuführen sind, zum anderen aber auch - im Gegensatz zu Normen - finanzielle Aspekte z.B. zum Kostenabzug bei Minderstärken im Asphaltbau usw.
Die Zusätzlichen Bedingungen werden i. d. R. ebenfalls am Stück vereinbart bzw. vom AG im jeweiligen Verfahren vorgegeben.
Die Besonderen Bedingungen sind die, die nur für das ausgeschriebene Objekt gelten:
BVB Besondere Vertragsbedingungen umfassen häufig Angaben wie Ausführungsfristen, Vertragsstrafen, Bereitstellung von Wasser und Strom usw. Sie sind ebenfalls in vielen Vergabehandbüchern als Vordruck enthalten, müssen aber für die konkrete Maßnahme ausgefüllt werden, i.d.R. werden sie ebenfalls bereits mit den Ausschreibungsunterlagen an die Bieter versandt, damit diese wissen, unter welchen Randbedingungen ihr Angebot gelten soll. Das gehört dann ggf. zu den Planeraufgaben in Lph. 6, denn die BVB sind neben dem LV (siehe unten) preisbestimmend.
Die Besonderen Technischen Vertragsbedingungen ist das, was gemeinhin als LV (Leistungsverzeichnis) bezeichnet wird: eine positionsbezogene oder auch funktionale Beschreibung der auszuführenden Leistungen, die der Bieter mit Angebotspreisen versehen soll. Sie werden ebenfalls in Lph. 6 als Grundleistung erstellt.
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Wenn nun Angebote von Bietern vorliegen, werden die Bieter hinsichtlich ihrer Eignung und Zulässigkeit überprüft (Angebotsprüfung) und die nicht ausgeschlossenen Angebote gewertet (Angebotswertung). Technisch-wirtschaftliche Aufklärungsgespräche schließen sich häufig mit den in die engere Auswahl kommenden Bietern an, bei denen auch evtl. vorliegende Nebenangebote besprochen werden können.
Zum Schluss folgt ein Vergabevorschlag durch den Planer an den Auftraggeber. Die äußere Form ist bei öffentlichen Auftraggebern meist vorgegeben (es werden entsprechende Kriterien der VOB/A nacheinander abgearbeitet und schriftlich dokumentiert), kann aber bei privaten Auftraggebern auch einfach aus dem Satz "Ich schlage vor, dem Bieter X den Zuschlag zu erteilen" bestehen.
Wenn der AG dem Vorschlag zustimmt, folgt nun die Grundleistung "Zusammenstellen der Vertragsunterlagen für alle Leistungsbereiche". Diese umfassen also die als Kopiervorlage erstellten
- ZVB (liefet meist direkt der AG)
- BVB (dürfte der AN mit dem Angebot bereits bestätigt haben) und
- ein Auftrags-LV (das sich gegenüber dem Angebot anders darstellen kann, je nach Vereinbarung und angenommenen Angeboten).
Das kaufmännische Auftragssschreiben oder besser der Bauvertrag ist zwischen AG und AN zu vereinbaren und es gehört nicht zu den Aufgaben des Planers, einen solchen zu erstellen. Wird der Auftrag oder Vertrag mit Formularen aus Vergabehandbüchern erteilt, in die lediglich die projektspezifischen Daten (Namen und Anschriften, Projekt- und Gewerkename, Angebotsdatum, Bezug auf evtl. geltende Vertragsunterlagen wie z.B. Protokolle des technisch-wirtschaftlichen Aufklärungsgesprächs usw.) einzutragen sind, kann es durchaus zu den Pflichten eines Planers gehören, diese schreibtechnisch auszufüllen (ergibt sich aus dem Planungsvertrag).
Aber auch ein privater Auftraggeber braucht für übliche Bauaufträge nicht immer einen Juristen einzuschalten. Es gibt im Internet sowohl kostenfreie als auch vergütungspflichtige Vertragsformulare, die projektspezifisch auszufüllen sind. Welche Vertragsbedingungen er genau davon jedoch vereinbaren möchte bzw. welches Formular er verwenden möchte, ist und bleibt seine Entscheidung. Im Idealfall steht auch bereits in den Auftragsunterlagen, dass ein XY-Vertrag der Fa. Z Anwendung finden soll oder diese ist bereits vorausgefüllt als Entwurf der Ausschreibung beigefügt.
Zu der Praxis, auf ein Angebot durch den AG schreiben zu lassen „Auftrag hiermit erteilt. Ort, Datum, Unterschrift“ mag ich mich hier nicht vertieft äußern. Sie mag funktionieren, regelt jedoch nicht, was in den Fällen passieren soll, wenn etwas auf der Baustelle nicht oder falsch passiert usw. Denn:
„Vertrag kommt von sich vertragen“ hat einmal jemand gesagt und dazu erläutert: „wenn man sich verträgt, braucht man keinen Vertrag. Erst wenn man sich nicht mehr verträgt, braucht man einen“. Zu den Beratungspflichten des Planers gehört also auf jeden Fall, dem AG die Verwendung eines Bauvertrags zu empfehlen und vielleicht noch, bei einem vorgeschlagenen Formular zu schauen, ob die für die Baumaßnahme wichtigen Regelungen aus seiner technischen Sicht alle darin enthalten sind (dürfte bei den meisten Formularverträgen der Fall sein). Zu den Planerpflichten gehört es jedoch nicht, einen solchen aufzusetzen. Das sollten ggf. Juristen übernehmen, die sind prädestiniert dafür. Sie wollen ja auch nich , dass Juristen ein Gebäude planen oder die Statik rechnen, oder?
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Herzliche Grüße
Friedhelm Doell
Beratender Ingenieur
HOAI-Sachverständiger
www.doellconsult.de
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