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Vertragsstrafe

BGH, Urteil vom 15. Februar 2024 - VII ZR 42/22

Sachverhalt

Die Klägerin wurde mit einem Einheitspreisvertrag unter Einbeziehung der VOB/B und von Besonderen Vertragsbedingungen (BVB-VOB) mit Leistungen zur Erschließung von 1.583 Haushalten mit Glasfaserkabeln beauftragt.

Mit ihrer Schlussrechnung rechnete die Klägerin für die beauftragten Leistungen sowie für Nachträge insgesamt 5.126.412,10 Euro netto (6.100.430,40 Euro brutto) ab. Die Beklagte zahlte mit Ausnahme eines Betrags in Höhe von 284.013,78 Euro, den sie gegenüber der Klägerin als Vertragsstrafe geltend macht.

Die Regelung zur Vertragsstrafe in den vereinbarten BVB-VOB lautete wie folgt:

2. Vertragsstrafen (§ 11 VOB/B)

2.1 Der Auftragnehmer hat bei Überschreitung der unter 1. genannten Einzelfristen oder der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen:

0,2 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer;

Beträge für angebotene Instandhaltungsleistungen bleiben unberücksichtigt. Die Bezugsgröße zur Berechnung der Vertragsstrafen bei Überschreitung von Einzelfristen ist der Teil dieser Auftragssumme, der den bis zu diesem Zeitpunkt vertraglich zu erbringenden Leistungen entspricht.

2.2 Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v. H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt.

2.3 Verwirkte Vertragsstrafen für den Verzug wegen Nichteinhaltung verbindlicher Zwischentermine (Einzelfristen als Vertragsfristen) werden auf eine durch den Verzug wegen Nichteinhaltung der Frist für die Vollendung der Leistung verbürgte Vertragsstrafe angerechnet.

Die Parteien streiten über den von der Beklagten vom Werklohn abgezogenen Vertragsstrafenbetrag in Höhe von 284.013,78 Euro.

Entscheidungsgründe

Der BGH hat die Vertragsstrafenklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen, weil sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt.

Nach Ziffer 2.1, 2.2 der BVB-VOB ist die Vertragsstrafe für die Überschreitung der Frist für die Vollendung auf insgesamt 5 % der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Netto-Auftragssumme begrenzt. Eine solche Regelung über die Bezugsgröße der Vertragsstrafe beeinträchtigt bei einem Einheitspreisvertrag, wie er hier geschlossen wurde, den Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Der BGH hat die Klausel ausgelegt und festgestellt, dass die ausdrückliche Anknüpfung an die “im Auftragsschreiben genannte[n]” Netto-Auftragssumme zweifelsfrei klarstellt, dass als Bezugsgröße der Wert gemeint ist, der sich nach der von den Parteien vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Netto-Vergütung der Klägerin bemisst. Im Zeitpunkt der schriftlichen Auftragserteilung steht bei einem Einheitspreisvertrag, bei dem die Mengen und Massen nach dem (späteren) tatsächlichen Verbrauch berechnet werden, nur diese Vergütung fest.

Nach der Rechtsprechung des BGH benachteiligt eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel den Auftragnehmer unangemessen, wenn sie eine Höchstgrenze von mehr als 5 % der Auftragssumme bei Überschreiten des Fertigstellungstermins vorsieht. Diese Rechtsprechung knüpft maßgeblich an die mit der Strafe verfolgte Druckfunktion an, den Auftragnehmer zur ordnungsgemäßen Erbringung seiner Leistungen anzuhalten. Zugleich soll sie den Auftraggeber in den Stand setzen, sich bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten jedenfalls bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis schadlos zu halten. Allerdings müssen auch die Interessen des Auftragnehmers berücksichtigt werden, insbesondere, dass die für die Überschreitung eines Termins vereinbarte Vertragsstrafe unter Berücksichtigung ihrer Druck- und Kompensationsfunktion in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn steht, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdient. Die Druckfunktion erlaubt dabei zwar durchaus eine spürbare Vertragsstrafe, es ist aber darauf zu achten, dass sich die Vertragsstrafe in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen hält.

Gemessen daran ist eine Vertragsstrafe von über 5 % der Auftragssumme zu hoch. Der Auftragnehmer wird typischerweise durch den Verlust von mehr als 5 % seines Vergütungsanspruchs unangemessen belastet.

Diesen Wirksamkeitsanforderungen wird die in Rede stehende Klausel bei Verwendung in einem Einheitspreisvertrag, wie er hier geschlossen wurde, nicht gerecht. Bei einem Einheitspreisvertrag, wie er hier geschlossen wurde, kann die Anknüpfung der Vertragsstrafe an die vor Auftragsdurchführung vereinbarte (Netto-)Auftragssumme im Falle einer – aus unterschiedlichen Gründen (etwa durch Verringerung der tatsächlich ausgeführten gegenüber den bei Vertragsschluss zugrunde gelegten Mengen) nicht bloß theoretisch denkbaren – nachträglichen Absenkung des Auftragsvolumens dazu führen, dass die vom Auftragnehmer zu erbringende Strafzahlung die Grenze von 5 % seines Vergütungsanspruchs – unter Umständen erheblich – übersteigt. Die damit verbundene, den Auftragnehmer im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligende und damit zur Unwirksamkeit der Klausel führende Privilegierung des Auftraggebers wird innerhalb der Regelung nicht anderweit, etwa durch einen dem gegenüberstehenden Vorteil für den Auftragnehmer, ausgeglichen. Die Klausel enthält insbesondere auch keine Vorkehrungen (beispielsweise durch einen Vorbehalt oder in anderer geeigneter Weise), durch die der Gefahr einer Überschreitung der für die Vertragsstrafe maßgeblichen Grenze angemessen Rechnung getragen wird.

Dass im Zeitpunkt des Auftragsschreibens die endgültige Abrechnungssumme noch nicht feststeht, begründet auch nicht die Gefahr, dass eine Regelung unklar wäre, die auf die endgültige Vergütung abstellte, weil sie AusIegungsspielräume dafür eröffnet, was zur späteren Abrechnungssumme gehört. Den Parteien ist bei Vereinbarung eines Prozentsatzes im Gegensatz zu einem festen Betrag klar, dass die Höhe der Vertragsstrafe kein feststehender Betrag ist. Besteht Streit darüber, welche Vergütung der Auftragnehmer zu Recht beanspruchen kann, muss dies gegebenenfalls gerichtlich geklärt werden.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung ist auch für alle bereits abgeschlossenen und aktuell laufenden Bauverträge maßgeblich. Insofern werden die Auftraggeber in vielen Fällen bereits vereinbarte Vertragsstrafen nicht geltend machen können. Ist eine Vertragsstrafenregelung unwirksam, gibt es keine geltungserhaltende Reduktion auf ein zulässiges Maß. Der Anspruch auf Vertragsstrafe entfällt dann insgesamt.

Das Urteil des BGH zeigt, dass die Formulierung von Vertragsstrafenklauseln mit hohen Risiken verbunden ist. Oft werden solche Klauseln von Architekten und Ingenieuren formuliert. Spätestens seit dem Urteil des BGH vom 09.11.2023 sollten sich Architekten und Ingenieure jedoch bei der Gestaltung von Bauverträgen raushalten und dies ihren Auftraggebern und dessen Rechtsberatern überlassen. Andernfalls drohen erhebliche Haftungsrisiken, sogar mit einer möglichen persönlichen Haftung. Dazu gibt es bereits einige Beispiele im Zusammenhang mit unwirksamen Vertragsstrafenregelungen in der Rechtsprechung.

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