Kündigungsregelung § 4 Abs. 7 VOB/B unwirksam

Kündigungsregelung in § 4 Abs. 7 VOB/B ist unwirksam!

BGH, Urteil vom 19.01.2023, Az.: VII ZR 34/20: Die Kündigungsregelung in § 4 Abs. 7 VOB/B ist unwirksam!

Bei VOB-Bauverträgen bereitet die Regelung in § 4 Abs. 7 VOB/B in der Praxis schon immer Schwierigkeiten. Danach müssen Auftraggeber bei Mängeln vor der Abnahme dem Auftragnehmer eine Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und gleichzeitig die Kündigung androhen. Nach Ablauf der angemessenen Frist muss dann zunächst die Kündigung des Vertrages erklärt werden, bevor die Selbstvornahme durchgeführt werden kann. § 4 Abs. 7 VOB/B in der aktuell gültigen Fassung lautet wie folgt:

§ 4 VOB/B – Ausführung

(7) Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, hat der Auftragnehmer auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen. Hat der Auftragnehmer den Mangel oder die Vertragswidrigkeit zu vertreten, so hat er auch den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde (§ 8 Absatz 3).

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Es wurde schon seit langer Zeit diskutiert, ob die Regelung des § 4 Abs. 7 in der VOB/B einer isolierten Inhaltskontrolle standhält, also ob sie “AGB-konform” ist. Jetzt hat der BGH einen Fall entschieden, in dem es auf diese Frage ankam.

Sachverhalt

In dem vom BGH entschiedenen Fall beauftragte ein Bauunternehmen für Straßen- und Tiefbauarbeiten („AG“) für den Ausbau einer Stadtbahnlinie eine Nachunternehmerin („AN“). In dem Vertrag zwischen AG und AN wurde die VOB/B vereinbart. Im Zuge der Ausführung kam es dann zu Streitigkeiten über die vom AN nach dem Vertrag geschuldete Betonfestigkeitsklasse. Der AG rügte gegenüber dem AN die Qualität des verbauten Betons und forderte den AN unter Fristsetzung mit Kündigungsandrohung dazu auf, die Mängel am Beton zu beseitigen. Der AN kam dem Verlangen nach Beseitigung der behaupteten Mängel, die bei einem Gesamtauftragsvolumen von ca. 3 Mio. Euro mit einem Aufwand von ca. 6.000 Euro bei laufendem Baubetrieb in zwei bis drei Arbeitstagen hätten erledigt werden können, nicht nach. Der AG kündigte nach Fristablauf den Bauvertrag hinsichtlich aller zu diesem Zeitpunkt noch nicht erbrachten Arbeiten. 

Die Entscheidung des BGH

Zwar hat der AG seine Kündigung auf § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B (2002) gestützt und die dortigen Voraussetzungen eingehalten. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB (2002) ist jedoch als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Schon mit Urteil vom 22.01.2004 (VII ZR 419/02) hat der BGH entschieden, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass diese nicht als ganzes vereinbart ist. Es bedarf damit keiner substantiellen Änderung der VOB/B und es reicht schon jede Abänderung der VOB/B aus, damit sie nicht mehr als Ganzes vereinbart ist und der Inhaltskontrolle unterliegt.

Sodann stellt der BGH fest, dass § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen einer Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem Grund, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Nach dieser Regelung kann der Auftraggeber nämlich schon bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Mängeln einen Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer eine zur Nachbesserung gesetzte Frist ungenutzt verstreichen lässt. Dadurch wird der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Die Klauseln sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Dabei legt der BGH die VOB-Regelung unter Heranziehung der maßgeblichen AGB-rechtlichen Auslegungsgrundsätze so aus, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund in jedem denkbaren Fall festgestellter Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit ausgesprochen werden kann.

Der Leitsatz aus dem Urteil des BGH vom 19.01.2023 (VII ZR 34/20) lautet wie folgt:

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil betrifft zwar die VOB/B in der Fassung von 2002 und das zwischen 2002 und 2017 gültige BGB. Es ist jedoch auf die heutigen Rechtslage mit weitreichenden Konsequenzen unmittelbar übertragbar. Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung unter anderem, dass Auftraggeber bei Mängeln vor der Abnahme im VOB/B-Vertrag künftig noch mehr aufpassen müssen. Denn wenn sie Verwender der VOB/B sind, was regelmäßig der Fall ist, können sie sich nicht auf die Unwirksamkeit der von Ihnen selbst gestellten Vertragsbedingungen berufen. Wollen Auftraggeber also eine Selbstvornahme bei Mängeln vor der Abnahme durchführen, dann müssen sowohl die Voraussetzungen des BGB (unter Beachtung des BGH-Urteils vom 19.01.2017, Az.: VII ZR 301/13, nach dem vor der Abnahme keine Mängelrechte geltend gemacht werden können) als auch die Voraussetzungen von § 4 Abs. 7 VOB/B (Fristsetzung mit Kündigungsandrohung und Kündigungserklärung nach Fristablauf) erfüllt sein. Will der Auftraggeber den Vertrag wegen Mängeln kündigen, müssen wegen der Mängel auch die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 648a BGB erfüllt sein. Danach muss ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar sein. 

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