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Bau-Turbo in Kraft: Wichtige Änderungen im Bauplanungsrecht

Baustelle mit Kränen

Der neue Bau-Turbo: Änderungen im Bauplanungsrecht und ihre Bedeutung für die Praxis

 

Mit der Veröffentlichung des Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung im Bundesgesetzblatt vom 29. Oktober 2025 hat der Gesetzgeber mehrere zentrale Vorschriften des Baugesetzbuchs überarbeitet. Das Gesetz ist am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten und soll den Kommunen ermöglichen, schneller auf den Wohnraumbedarf zu reagieren. Dabei handelt es sich nicht um ein völlig neues System, aber um eine Reihe von zielgerichteten Anpassungen, die – richtig angewendet – durchaus spürbare Auswirkungen auf die Genehmigungspraxis haben können.

1. Die neue befristete Sonderregelung nach § 246e BauGB

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Einfügung des neuen § 246e BauGB. Diese Vorschrift gilt bis zum 31. Dezember 2030 und erlaubt es, mit Zustimmung der Gemeinde
von bauplanungsrechtlichen Vorgaben abzuweichen, sofern das Vorhaben der Schaffung oder Reaktivierung von Wohnraum dient. Erfasst werden sowohl Neubauten als auch Umbauten, Erweiterungen und Nutzungsänderungen zulässigerweise errichteter Gebäude.
Die Abweichung setzt voraus, dass öffentliche Belange und nachbarliche Interessen gewahrt bleiben. Sobald nach einer überschlägigen Prüfung im Rahmen der Bauleitplanung erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten sind, ist eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen. Dies ist primär relevant, wenn die Abweichung die Aufstellung oder Änderung eines Planes erfordert (z.B. eines Vorhaben- und Erschließungsplans). Für Vorhaben im Außenbereich gilt die Sonderregelung nur, wenn sie in einem räumlichen Zusammenhang zu Innenbereichs- oder beplanten Flächen stehen. Damit bleibt die Grundkonzeption des Außenbereichsschutzes weitgehend erhalten.


2. Die neue Zustimmungssystematik nach § 36a BauGB

Für alle Abweichungsregelungen – sowohl nach § 246e als auch für Befreiungen und Abweichungen im Innenbereich – wurde mit § 36a BauGB eine eigenständige Zustimmungsvorschrift geschaffen. Sie verpflichtet die Gemeinde dazu, innerhalb von drei Monaten zu entscheiden; wird innerhalb dieser Frist keine Entscheidung (weder Zustimmung noch Ablehnung) getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt (Zustimmungsfiktion). Die Gemeinde kann ihre Zustimmung mit städtebaulichen Anforderungen verbinden und zudem eine Öffentlichkeitsbeteiligung veranlassen, was die Entscheidungsfrist entsprechend verlängert. Diese Regelung ist ein zentraler Baustein des Bau-Turbos, da sie die kommunale Steuerung stärkt und gleichzeitig klare Verfahrensfristen setzt.


3. Anpassungen bei Befreiungen und im unbeplanten Innenbereich

Auch § 31 Abs. 3 BauGB wurde überarbeitet. Befreiungen von Festsetzungen eines Bebauungsplans können künftig nicht nur im Einzelfall, sondern auch in serienmäßig gelagerten, mehreren vergleichbaren Fällen zugelassen werden, sofern der Wohnungsbau gefördert wird und keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Die Grenze der Grundzüge der Planung bleibt jedoch bestehen, sodass ein vollständiger Bruch mit der planerischen Konzeption weiterhin ausgeschlossen ist.
Im unbeplanten Innenbereich wird mit § 34 Abs. 3b BauGB ermöglicht, vom Einfügungsgebot abzuweichen, wenn ein Wohngebäude errichtet werden soll und die Abweichung sowohl mit öffentlichen Belangen als auch mit den nachbarlichen Interessen vereinbar bleibt. Gerade in verdichteten oder städtebaulich heterogenen Bereichen kann dies zu neuen Möglichkeiten der Nachverdichtung führen. Auch hier ist wiederum die Zustimmung der Gemeinde erforderlich, sodass der Gesetzgeber die Verantwortung bewusst in die kommunale Ebene legt.


4. Flexibilisierung des Lärmschutzes und neue Absicherung über § 216a BauGB

Eine weitere wichtige Änderung betrifft den Lärmschutz. § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB erlaubt es den Gemeinden nun, durch eine Festsetzung im Bebauungsplan höhere Immissionswerte festzulegen und damit in begründeten Fällen von den Vorgaben der TA Lärm abzuweichen.
Neben der Möglichkeit, andere Immissionswerte festzusetzen, können auch Geräuschemissionskontingente oder Beschränkungen für bestimmte Luftschadstoffe vorgesehen werden.
Ergänzend wurde mit § 216a BauGB eine Regelung geschaffen, die festlegt, wie zu verfahren ist, wenn ein Bebauungsplan mit einer solchen Festsetzung später für unwirksam erklärt wird. Insbesondere sollen bestehende Anlagen nicht unangemessen belastet werden, wenn Wohnbebauung auf Grundlage eines fehlerhaften Plans herangerückt ist. Zusätzliche Anforderungen sind nur zulässig, wenn sie zumutbar sind und ihre Kosten übernommen werden. Die Vorschrift trägt damit der Konfliktlage zwischen Wohnnutzung und gewerblicher Bestandsnutzung Rechnung.


5. Verlängerung und Modifikation des Umwandlungsschutzes

Der Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach § 250 BauGB gilt nun bis 2030 fort. Zugleich wurden Ausnahmen aufgenommen, etwa für Gebäude mit nicht mehr als fünf Wohnungen oder für Fälle, in denen zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird. Die Regelung soll kleinere Objekte entlasten und Projekte der Nachverdichtung begünstigen.


Fazit

Der Bau-Turbo führt keine Revolution des Bauplanungsrechts herbei, öffnet aber an mehreren Stellen zusätzliche Spielräume, die insbesondere für Wohnbauvorhaben im Bestand und im Innenbereich relevant sein werden. Die Kommunen erhalten Instrumente, um schneller und flexibler zu entscheiden, ohne dass grundlegende Schutzstandards aufgegeben würden. Für Bauherren und Planende ergeben sich neue Chancen, allerdings verbunden mit dem Erfordernis einer sorgfältigen Prüfung, insbesondere im Hinblick auf Umweltwirkungen und die Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen. Wie stark das Gesetz in der Praxis wirken wird, hängt maßgeblich davon ab, wie konsequent Gemeinden die neuen Möglichkeiten nutzen und wie die Genehmigungsbehörden mit der neu eingeführten Zustimmungssystematik umgehen.


Link zum Regelungstext im Bundesgesetzblatt: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2025/257/VO.html

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