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Mindestsatz auch für öffentliche Auftraggeber

BGH, Beschluss vom 14. Februar 2024 - VII ZR 221/22

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Sachverhalt

Ein von seinem Architekten mit einer Aufstockungsklage in Anspruch genommener privater Bauherr verliert den Rechtsstreit und wird verurteilt, den Mindestsatz nach der HOAI 2013 zu bezahlen. Der Bauherr ist der Auffassung, dass dies eine Ungleichbehandlung darstelle, weil öffentliche Auftraggeber die Mindestsätze unterschreiten dürften. 

Entscheidungsgründe

Der BGH hat in seinem Beschluss vom 14.02.2024 festgehalten, dass die geltend gemachte Ungleichbehandlung nicht vorliegt. Zwar verstößt das verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI 2013 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie; siehe EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019 – C-377/17, BauR 2019, 1624 = NZBau 2019, 511 – Kommission/Deutschland). Daraus folgt entgegen der – nicht näher begründeten – Auffassung der Beschwerde jedoch nicht, dass eine gegen die öffentliche Hand gerichtete Honorarklage eines Architekten auf Basis der Mindestsätze im Falle einer mindestsatzunterschreitenden Honorarvereinbarung an einer unmittelbaren Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie scheitert. Der Staat darf sich nicht zu seinen Gunsten gegenüber dem Einzelnen – hier gegenüber dem Architekten – auf eine nicht oder unzutreffend umgesetzte Richtlinie berufen und für sich keine Vorteile aus der nicht oder unzutreffend umgesetzten Richtlinie ziehen. Er kann – und muss – die Richtlinie umsetzen, wenn er sich zu seinen Gunsten auf sie berufen will. Das richtlinienwidrige zwingende Preisrecht der HOAI 2013 ist daher auch bei sogenannten Aufstockungsklagen in Höhe der HOAIMindestsätze gegenüber öffentlichen Auftraggebern weiterhin anwendbar.

Auswirkungen auf die Praxis

➡️ Der BGH hat mit diesem Beschluss endgültig Klarheit geschaffen. 

➡️ Die bisherige Unklarheit beruhte auf den Formulierungen im Urteil des EuGH  (Urteil vom 18.01.2022, Rs. C-261/20) und der verschiedenen Entscheidungen des BGH (siehe z.B. Urteil vom 02.06.2022 – VII ZR 229/19), nach denen keine Verpflichtung bestand, das gegen Europarecht verstoßende verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI im Rahmen eines Rechtsstreits, “in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen”, unangewendet zu lassen. Die dort immer wieder gewählte Formulierung: “ausschließlich Privatpersonen” hat die Frage aufgeworfen, ob darunter auch privatwirtschaftlich tätige öffentliche Auftraggeber fallen. Jetzt erfolgte die höchstrichterliche Klarstellung durch den BGH. 

➡️ Architekten und Ingenieure können also auch aus einem mit  einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Vertrag im Anwendungsbereich der HOAI 2013 bei einer Mindestsatzunterschreitung die Mindestsätze geltend machen und im Rahmen einer Aufstockungsklage durchsetzen. 

 

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