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Geschichte, Gegenwart, Großprojekt: Der neue Potsdamer Bildungscampus

Landtag Brandenburg

Geschichtsträchtiger Ort, ehrgeiziges Programm
Der Brauhausberg in Potsdam ist ein Ort mit Schichten: preußische Kriegsschule, SED-Bezirksleitung, Landtag Brandenburg – und seit Jahren eine städtebauliche Wunde, verschärft durch Leerstand und Brandschäden. Genau hier soll ein neuer Universitätscampus entstehen. Das Land Brandenburg, die Universität Potsdam und die Hasso-Plattner-Stiftung haben im Juni 2025 eine Absichtserklärung unterzeichnet, die den Weg dafür freimacht. Ziel ist ein integrierter Campus mit exzellenten Studien- und Forschungsbedingungen – und eine deutliche Stärkung des Wissenschaftsstandorts Potsdam.

Sanierung und Neubau: das doppelte Leistungsbild
Herzstück des Vorhabens ist die denkmalgerechte Wiederbelebung des markanten Bestands am Hang – im Volksmund „Kreml“ genannt –, kombiniert mit Neubauten für Lehre, Forschung und studentische Infrastruktur. Verantwortlich für die Sanierung des historischen Hauptgebäudes ist die KW-Development; parallel sind neue Baukörper geplant, die den Campus funktional komplettieren. Der künftige Standort soll bis zu 6.000 Studierende aufnehmen und insbesondere die Fachbereiche Jura sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften beheimaten. Für Architekturbüros bedeutet das ein Planungsportfolio von der substanzschonenden Instandsetzung über hochinstallierte Lehr- und Forschungsflächen bis zu robusten Außenräumen.

Programmatische Verschiebungen und Flächenlogik
Mit dem Umzug der genannten Fakultäten vom Campus Griebnitzsee auf den Brauhausberg wird die Flächenlogik der Universität neu geordnet. Im Gegenzug kann das Hasso-Plattner-Institut (HPI) am Griebnitzsee deutlich expandieren – mit einem Forschungsschwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz. Aus planerischer Sicht entstehen damit zwei komplementäre Standorte: ein innenstadtnaher, urbaner Campus mit ausgeprägter Öffentlichkeitswirkung und ein Technologie-Hub mit spezialisierter Infrastruktur.

Zeitstrahl und Governance: Marathon statt Sprint
Die Umsetzung ist als Jahrzehntprojekt angelegt: Bis etwa 2035 sollen Sanierung, Neubau und Erweiterungen greifbar sein. Eine gemeinsame Taskforce unter politischer und Stiftungsführung koordiniert das Vorhaben – ein Governance-Setup, das für komplexe Bildungsbauten zunehmend Standard wird und Schnittstellen zwischen öffentlichen Verfahren, Stiftungsengagement und universitärer Selbstverwaltung strukturiert. Für die Projektkultur am Bau bedeutet das: klare Meilensteine, belastbare Änderungsprozesse – und Kommunikationsfähigkeit gegenüber einer breiten Öffentlichkeit.

Denkmalpflege trifft Hochschulbau: technische Tiefen
Der Bestand am Brauhausberg ist nicht nur symbolisch aufgeladen, sondern auch technisch herausfordernd. Brandschäden, Vandalismuspuren und der Erhalt denkmalrelevanter Substanz setzen enge Leitplanken für Tragwerksplanung, Brandschutzkonzepte und Bauphysik. In der Sanierung stellen sich Fragen nach reversiblen Eingriffen, schadstoffarmen Verfahren und der Integration zeitgemäßer Gebäudetechnik in historische Hüllen. Für die Neubauten gilt: labornahe Lehrflächen, hohe akustische Qualität, flexible Grundrisse und modulare TGA-Strukturen, die künftige digitale Lehrformate ebenso erlauben wie forschungsnahe Nutzungssprünge. Der Campus als Ensemble benötigt zudem eine robuste Energie- und Medienversorgung, die Bestands- und Neubaucluster verbindet – von Fernwärmeübergabe über Kälte und Glasfaser bis zu Lastmanagement für Labor- und Rechenlasten.

Stadträumliche Einbindung: Adresse, Wege, Freiräume
Der Brauhausberg liegt exponiert über dem Zentrum und in Sichtbeziehungen zum Hauptbahnhof. Damit rücken Wegeführung, Barrierefreiheit und die Topographie in den Fokus: Einladende Adressen am Hang, kurze Wege zwischen den Fakultäten und Aufenthaltsqualitäten in den Außenräumen werden über die Akzeptanz des Campus im Alltag entscheiden. Für den Bus- und Radverkehr gilt es, neue Knotenpunkte intelligent mit bestehenden Netzen zu verknüpfen. Gleichzeitig bietet die Lage die Chance, öffentliche Nutzungen – Bibliothek, Eventflächen, Gastronomie – als Brücken zwischen Universität und Stadtgesellschaft auszubauen.

Finanzierung und Dimension
Die Hasso-Plattner-Stiftung stellt eine dreistellige Millionenzuwendung bereit; im europäischen Kontext sprechen die Beteiligten von einer Spende historischer Größenordnung. Für die Universität bedeutet das nicht nur bauliche, sondern auch strukturelle Entwicklung: mehr Professuren, internationale Sichtbarkeit und die gezielte Ansiedlung weiterer KI-Lehrstühle. Für Planungsbüros eröffnet die Finanzierungsbasis die Chance, Qualitätsstandards nicht dem Kostendruck zu opfern – von langlebigen Materialstrategien über zirkuläre Bauteile bis zur klimaresilienten Freiraumgestaltung.

Politische Rückendeckung, öffentliche Erwartung
Das Projekt wird vom Land als „starker Entwicklungsschub“ für Wissenschaft und Stadt bewertet; die formale Grundlage ist die unterzeichnete Absichtserklärung. Diese Rückendeckung ist zugleich Verpflichtung: Verfahrenstransparenz, Beteiligung und eine überzeugende Übersetzung des historischen Ortes in eine zeitgemäße Hochschularchitektur werden Maßstab der öffentlichen Debatte sein. Für Architektinnen, Ingenieure und Projektsteuerer heißt das: Proaktive Kommunikation, belastbare Variantenprüfungen und ein schlüssiges Nachhaltigkeitsnarrativ als Teil der Planung.

Fazit für die Praxis
Der neue Campus am Brauhausberg bündelt viele Themen, die aktuell den Hochschulbau prägen: die Transformation belasteter Bestände, die Verzahnung von Stadt und Wissenschaft sowie die Skalierbarkeit technischer Infrastrukturen. Wer hier plant, arbeitet am Prototyp einer europäischen Wissensadresse – auf einem Gelände, das wie kaum ein anderes in Potsdam für Wandel steht. Die Aufgabe ist anspruchsvoll, aber klar umrissen: Vergangenheit bewahren, Zukunft bauen – und beides architektonisch zu einem schlüssigen Ganzen fügen.

 

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