Recht im Planungsalltag
															KG, Urteil vom 30.01.2024 – 9 U 110/21: Planer haftet nicht für vergaberechtliche Fehler des Auftraggebers
Planerleistung vs. Vergabeverantwortung – klare Abgrenzung
Wer im öffentlichen Bau- und Vergabeverfahren tätig ist, fragt sich zunehmend: Wo endet meine Verantwortung als Planer – und wo beginnt die Pflicht des Auftraggebers? Das Urteil des Kammergerichts Berlin (KG) vom 30. Januar 2024 liefert eine klare Antwort: Planer müssen ein technisch und inhaltlich korrektes Leistungsverzeichnis liefern, tragen jedoch nicht die rechtliche Verantwortung für das Vergabeverfahren. Für Architekt:innen, Ingenieur:innen und Bauherr:innen ist das eine wichtige Klarstellung im Spannungsfeld zwischen Technik, Recht und Vergabe.
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) beauftragte einen Ingenieur (AN) mit der Erstellung von Leistungsverzeichnissen (LV) für das Großprojekt „Humboldt Forum“ in Berlin. Im LV für Sicherheitstechnik fand sich eine Position („aktive Siegelbausteine“), die nach Ansicht des AG verdeckt produktspezifisch war. Ein Bieter rügte dies als vergaberechtswidrig. Anstatt die Ausschreibung anzupassen, verhandelte der AG mit dem günstigsten Bieter, um dessen Angebot anzupassen – ein klarer Verstoß gegen das Verhandlungsverbot. Ein anderer Bieter beantragte daraufhin erfolgreich ein Nachprüfungsverfahren. Der AG verlangte vom Ingenieur Ersatz der Verfahrenskosten (ca. 50.000 €) und der Mehrkosten der Neuausschreibung (über 2 Mio. €). Sowohl Landgericht als auch Kammergericht wiesen die Klage ab.
Entscheidungsgründe
Das KG verneinte Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4 BGB. Im Einzelnen: 1. Kein Zurechnungszusammenhang: Das Nachprüfungsverfahren wurde nicht durch den Ausschreibungsfehler, sondern durch das eigenständige vergaberechtswidrige Verhalten des AG ausgelöst. 2. Überwiegendes Mitverschulden (§ 254 BGB): Selbst, wenn ein Fehler des Planers vorläge, würde die Haftung aufgrund des ganz überwiegenden Mitverschuldens des Auftraggebers entfallen. 3. Keine Haftung für Mehrkosten der Neuausschreibung: Auch die Mehrkosten von über 2 Mio. € können nicht ersetzt verlangt werden. Der Auftraggeber hätte dem zweitplatzierten Bieter den Zuschlag erteilen können.
Praxishinweis
Das Urteil verdeutlicht: Planer sind keine Vergaberechtsanwälte. Ihre Verantwortung endet bei der technischen und inhaltlichen Korrektheit der Ausschreibung.
Für Planer bedeutet das:
- Vertraglich klarstellen, dass keine vergaberechtliche Beratung geschuldet ist. – Hinweise auf die Grenzen der eigenen Verantwortung dokumentieren.
 - Bei rechtlichen Zweifeln frühzeitig auf externe Rechtsberatung verweisen.
 
Für Auftraggeber gilt:
- Vergaberechtliche Entscheidungen dürfen nicht informell getroffen werden.
 - Verstöße gegen das Verhandlungsverbot (§ 15 VgV) lassen sich nicht auf Planer abwälzen.
 - Fehler im Verfahren führen zu eigenen Haftungsrisiken.
 
Ergänzender Hinweis
Das Urteil steht im Zusammenhang mit der Entscheidung des BGH vom 09.11.2023 (VII ZR 190/22) zur Zulässigkeit von Rechtsdienstleistungen durch Architekten und Ingenieure. Beide Entscheidungen zeigen: Planer dürfen nur solche rechtlichen Bewertungen vornehmen, die für ihre technische Arbeit zwingend erforderlich sind. Mehr dazu finden Sie im HOAI.de-Lehrvideo: Rechtsdienstleistungen für Architekten und Ingenieure (Link: https://www.hoai.de/webinare/rechtsdienstleistungen_architekten_ingenieure/). Loggen Sie sich einfach ein, um das Video anzusehen..
Schlagwörter: Planerhaftung | Vergaberecht | Rechtsdienstleistungen Architekten 
Den neuen HOAI-Kommentar können Sie direkt hier bestellen:
Diesen Artikel teilen:
