Wiedereröffnete Reichenbachsynagoge in München
															Ein Ort kehrt zurück ins Licht
In der Reichenbachstraße im Herzen Münchens ist in diesem Herbst ein außergewöhnliches Bauwerk neu erstanden – die Reichenbachsynagoge. Fast 90 Jahre lang lag dieser Ort im Verborgenen. Nun wurde das 1931 erbaute Haus nach einer umfassenden Sanierung feierlich wiedereröffnet – ein architektonisches wie kulturelles Ereignis von nationaler Bedeutung.
Das Gebäude war ursprünglich als „Zweite Synagoge Münchens“ errichtet worden, entworfen im Stil der Neuen Sachlichkeit und des Bauhauses. Ihr Architekt, Gustav Meyerstein, verband funktionale Klarheit mit einer feinen Ornamentik aus Licht, Farbe und Proportion. Doch nur wenige Jahre nach der Einweihung zerstörten die Nationalsozialisten das jüdische Leben in der Stadt, das Gebäude wurde zweckentfremdet, später als Lager und Werkstatt genutzt. Erst die jüngsten Restaurierungsarbeiten haben nun wieder sichtbar gemacht, was über Jahrzehnte verborgen blieb: die elegante, lichtdurchflutete Schlichtheit eines modernen Sakralbaus.
Architektonische Wiederentdeckung
Unter der Leitung des Münchner Architekturbüros Hölzl Simson Sporer entstand ein eindrucksvolles Beispiel für den respektvollen Umgang mit historischer Substanz. Der denkmalgeschützte Bau wurde von Grund auf saniert, ohne seine ursprüngliche Formensprache zu verfälschen.
Die Architekten legten Wert auf eine präzise Wiederherstellung der charakteristischen Bauhaus-Elemente – etwa der horizontalen Fensterbänder, der klaren Linienführung und der zurückhaltenden Materialwahl. Gleichzeitig wurden die technischen Standards an heutige Anforderungen angepasst: neue Lüftungs- und Lichtsysteme, moderne Akustiklösungen sowie eine barrierefreie Erschließung. Die restaurierten Farbfassungen im Innenraum – Ockertöne, gedecktes Blau, feine Sandfarben – verleihen dem Raum eine stille Würde.
Im Zentrum steht der Gebetsraum mit seiner Kuppel, die nun wieder das Licht über eine zarte Glasstruktur einfängt. Die Wiederherstellung dieser architektonischen Details war eine besondere Herausforderung: Sie erforderte historische Farbforschung, handwerkliche Präzision und ein tiefes Verständnis für das ursprüngliche Konzept Meyersteins.
Ein Haus der Begegnung
Neben der religiösen Nutzung als Synagoge dient das Gebäude künftig auch als kultureller Treffpunkt. Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern versteht das Projekt ausdrücklich als Zeichen jüdischen Lebens mitten in der Stadt – offen, sichtbar und einladend.
Die Einweihungsfeier im September wurde von Bundeskanzler Friedrich Merz und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder begleitet. Beide betonten die Bedeutung dieses Ortes als Symbol für das wieder erstarkte jüdische Leben in Deutschland. Gemeindevorsteherin Charlotte Knobloch sprach von einem „Haus der Hoffnung“, das nicht nur Glaube, sondern auch Geschichte und Zukunft vereint.
Wiederbelebte Bauhaus-Ästhetik
Auch aus architektonischer Sicht ist die Reichenbachsynagoge ein herausragendes Beispiel für den Umgang mit moderner Denkmalpflege. Die Restaurierung zeigt, wie sich historische Gebäude des 20. Jahrhunderts mit heutigen Anforderungen an Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Sicherheit verbinden lassen – ohne ihre Identität zu verlieren.
Die neuen Fensterrahmen wurden in Anlehnung an die Originalprofile gefertigt, während moderne LED-Technik das charakteristische Farbspiel des Innenraums hervorhebt. Ein fein abgestimmtes Lichtkonzept lässt die Struktur des Raums in wechselnden Stimmungen erscheinen – tagsüber von natürlichem Licht durchflutet, abends sanft illuminiert.
Ein Zeichen weit über München hinaus
Nicht nur in München werden jüdische Sakralbauten wiederbelebt. Auch in Hamburg wächst derzeit ein neues Zentrum jüdischen Lebens: In der Grindelallee entsteht die Synagoge Bornplatz, deren Wiederaufbau nach jahrzehntelangem Engagement der Gemeinde und der Stadt nun konkrete Formen annimmt. Beide Projekte – München und Hamburg – stehen sinnbildlich für die Rückkehr jüdischer Kultur in den öffentlichen Raum Deutschlands.
Schlusswort
Mit der Wiedereröffnung der Reichenbachsynagoge hat München nicht nur ein architektonisches Juwel zurückgewonnen, sondern auch ein Stück kultureller Identität. Der Bau erzählt von Zerstörung und Neubeginn, von der Kraft der Architektur, Erinnerung zu bewahren und Zukunft zu gestalten.
Für Architekten und Planer ist das Projekt ein Lehrstück im Umgang mit denkmalgeschützter Moderne – und ein Beispiel dafür, wie sensibel Restaurierung und zeitgemäße Nutzung zusammengedacht werden können. Die Reichenbachsynagoge ist mehr als ein saniertes Gebäude. Sie ist ein leuchtendes Zeichen des Lebens.
Den neuen HOAI-Kommentar können Sie direkt hier bestellen:
Diesen Artikel teilen:
