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Vertragserfüllungsbürgschaft – Absicherung der Vertragserfüllung im Bauwesen

Die Vertragserfüllungsbürgschaft ist eine besondere Form der Bürgschaft, die häufig in Bauverträgen, Lieferverträgen oder Werkverträgen eingesetzt wird. Sie dient dazu, den Auftraggeber vor finanziellen Schäden zu schützen, falls der Auftragnehmer seine vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt.

Gerade bei größeren Bauprojekten stellt die Vertragserfüllungsbürgschaft eine Sicherheit für Bauherren oder Auftraggeber dar, um das wirtschaftliche Risiko einer Insolvenz oder Nichterfüllung des Bauunternehmens zu minimieren.

Zweck der Vertragserfüllungsbürgschaft

Die Vertragserfüllungsbürgschaft sichert typischerweise folgende Leistungen des Auftragnehmers ab:

  • Fertigstellung des Bauvorhabens gemäß Vertrag
  • Einhaltung der vereinbarten Qualität und Baufristen
  • Erfüllung von Nebenverpflichtungen (z. B. Dokumentationen, behördliche Nachweise)
  • Sicherung von Anzahlungen oder Abschlagszahlungen

Kommt der Auftragnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach (z. B. Insolvenz, Bauverzögerungen, erhebliche Mängel), kann der Auftraggeber die Bürgschaft in Anspruch nehmen, um finanzielle Verluste auszugleichen oder eine Ersatzvornahme zu finanzieren.

Rechtliche Grundlage und Anwendung

Die Vertragserfüllungsbürgschaft basiert auf § 765 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), wonach der Bürge verpflichtet ist, für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners (Auftragnehmers) einzustehen.

Vertragserfüllungsbürgschaft nach VOB/B

Im Bauwesen ist die Vertragserfüllungsbürgschaft insbesondere in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) geregelt.

  • § 17 VOB/B erlaubt es, eine Sicherheit für die Vertragserfüllung bis zu 10 % der Auftragssumme zu verlangen.
  • Die Bürgschaft kann neben der eigentlichen Bauleistung auch Abschlagszahlungen und Nachbesserungen absichern.

Höhe und Laufzeit der Bürgschaft

1. Höhe der Bürgschaft

Die Höhe der Vertragserfüllungsbürgschaft wird vertraglich vereinbart. Typische Werte sind:

  • 5 % bis 10 % der Auftragssumme (nach VOB/B maximal 10 %)
  • Bei öffentlichen Aufträgen oft gesetzlich geregelt
  • In der freien Wirtschaft sind abweichende Vereinbarungen möglich

2. Laufzeit der Bürgschaft

Die Vertragserfüllungsbürgschaft gilt in der Regel:

  • Bis zur Abnahme des Bauwerks oder der Leistung
  • Teilweise auch bis zum Ende der Gewährleistungsfrist, wenn sie mit einer Gewährleistungsbürgschaft kombiniert wird
  • Nach der Abnahme des Bauwerks wird die Vertragserfüllungsbürgschaft häufig durch eine Mängelansprüchebürgschaft (Gewährleistungsbürgschaft) ersetzt

Arten der Vertragserfüllungsbürgschaft

Es gibt verschiedene Formen der Vertragserfüllungsbürgschaft:

1. Bankbürgschaft

  • Eine Bank stellt die Bürgschaft aus und sichert den Auftraggeber finanziell ab.
  • Nachteil: Die Bürgschaft mindert die Kreditlinie des Auftragnehmers.

2. Bürgschaft durch eine Versicherung (Kautionsversicherung)

  • Eine Versicherung übernimmt die Bürgschaft, oft zu günstigeren Konditionen als eine Bank.
  • Vorteil: Keine Belastung der Kreditlinie des Auftragnehmers.

3. Barkaution oder Sicherheitsleistung durch Einbehalt

  • Der Auftraggeber kann einen Einbehalt von Abschlagszahlungen als Sicherheit verlangen.
  • Diese Praxis wird jedoch oft durch eine Bürgschaft ersetzt, um die Liquidität des Auftragnehmers zu schonen.

Vorteile der Vertragserfüllungsbürgschaft

Für den Auftraggeber (Bauherr, Investor, öffentlicher Auftraggeber):

  • Absicherung gegen Nichterfüllung des Vertrags (z. B. Insolvenz des Bauunternehmens)
  • Schutz vor Bauverzögerungen oder fehlerhafter Ausführung
  • Sicherung von bereits geleisteten Zahlungen

Für den Auftragnehmer (Bauunternehmen, Handwerksbetrieb):

  • Vermeidung von hohen Sicherungseinbehalten durch den Auftraggeber
  • Mehr Liquidität, da keine Barkaution hinterlegt werden muss
  • Bessere Verhandlungsposition bei öffentlichen und privaten Aufträgen

Beispiel für den Einsatz einer Vertragserfüllungsbürgschaft

Ein Bauunternehmen erhält einen Auftrag über 2 Mio. Euro für den Bau eines Wohngebäudes. Der Auftraggeber fordert eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme.

  1. Das Bauunternehmen schließt eine Bankbürgschaft oder Kautionsversicherung in Höhe von 100.000 Euro ab.
  2. Während der Bauzeit kann der Bauherr die Bürgschaft abrufen, falls das Bauunternehmen zahlungsunfähig wird oder die Bauleistung nicht vertragsgerecht erfüllt.
  3. Nach erfolgreicher Abnahme wird die Bürgschaft freigegeben oder durch eine Gewährleistungsbürgschaft ersetzt.

Unterschied zur Gewährleistungsbürgschaft

Merkmal Merkmal Gewährleistungsbürgschaft
Zweck Absicherung der Vertragsdurchführung Absicherung von Mängelansprüchen nach Abnahme
Laufzeit Bis zur Abnahme des Bauwerks Während der Gewährleistungsfrist (meist 5 Jahre)
Höhe 5 – 10 % der Auftragssumme 3 – 5 % der Auftragssumme
Rückgabe Nach Bauabnahme oder Umwandlung in eine Gewährleistungsbürgschaft Nach Ablauf der Gewährleistungsfrist

Tipps für Bauherren und Auftragnehmer

Für Auftraggeber (Bauherren, Investoren)

  • Höhe der Bürgschaft realistisch ansetzen (nicht höher als 10 % der Auftragssumme).
  • Bürgschaftsanbieter prüfen (Seriosität der Bank oder Versicherung sicherstellen).
  • Regelung zur Freigabe klar definieren, um unnötige Streitigkeiten zu vermeiden.

Für Auftragnehmer (Bauunternehmen, Handwerker)

  • Bankbürgschaft oder Kautionsversicherung vergleichen, um günstige Konditionen zu sichern.
  • Vertragliche Vereinbarung genau prüfen, um unnötig lange Bindungen zu vermeiden.
  • Alternative Sicherheiten vorschlagen (z. B. Reduzierung des Einbehalts gegen Bürgschaft).

Fazit zur Vertragserfüllungsbürgschaft

Die Vertragserfüllungsbürgschaft ist eine bewährte Methode, um Bauprojekte finanziell abzusichern und das Risiko einer mangelhaften oder nicht vollständigen Erfüllung eines Vertrags zu reduzieren. Sie schafft Vertrauen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und trägt zur finanziellen Stabilität eines Projekts bei.

Sowohl öffentliche als auch private Auftraggeber nutzen diese Form der Absicherung regelmäßig, um sich gegen wirtschaftliche und bautechnische Risiken abzusichern. Auftragnehmer sollten sich frühzeitig mit den Kosten und Auswirkungen einer Bürgschaft befassen, um ihre Liquidität optimal zu steuern.

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