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Was Schnee, Wind und Kälte für Planung und Haftung bedeuten

Haus im Schnee

Frohe Weihnachten nach Norm – Wenn Schnee, Wind und Statik mitfeiern

Es ist kurz vor Weihnachten. Die Städte leuchten, auf den Dächern sammelt sich (hoffentlich!) Schnee, Lichterketten spannen sich über Plätze und Straßen, und irgendwo zwischen Glühweinstand und Weihnachtsmusik knarzt eine Konstruktion im Winterwind. Für viele ist das die ruhigste Zeit des Jahres. Für Architekten, Ingenieure und Juristen beginnt jedoch eine Phase, in der Bauwerke besonderen Belastungen ausgesetzt sind – auch wenn diese festlich daherkommen.

Denn winterliche Einwirkungen halten sich selten an romantische Vorstellungen. Schnee fällt nicht gleichmäßig, Wind weht nicht konstant, und niedrige Temperaturen verändern das Verhalten von Materialien und Verbindungen. Gerade in der Weihnachtszeit treffen diese Faktoren auf veränderte Nutzungen, temporäre Installationen und zusätzliche Lasten. Das macht den Winter zu einer echten Bewährungsprobe für Planung und Verantwortung.

Schnee ist selten dort, wo man ihn erwartet

Die Ermittlung von Schneelasten ist normativ klar geregelt. Und dennoch zeigt die Praxis immer wieder, dass Schäden weniger durch fehlende Berechnung entstehen, sondern durch falsch eingeschätzte Verteilung. Verwehungen an Attiken, Dachaufbauten oder Technikflächen führen häufig zu lokalen Lastüberhöhungen, die im Rechenansatz so nicht vorgesehen waren.

Ein bekanntes Beispiel aus der Praxis: Nach einem Wintersturm musste in Süddeutschland ein großflächiger Einzelhandelsbau vorübergehend gesperrt werden, nachdem sich Schnee hinter einer Attika aufgestaut hatte. Die angesetzten Schneelasten entsprachen den Vorgaben – die tatsächliche Beanspruchung lag dennoch deutlich darüber. Ursache war die Kombination aus Dachgeometrie, Wind und fehlender Berücksichtigung von Verwehungseffekten.
Auch Gerichte sehen solche Situationen regelmäßig nicht als unabwendbares Schicksal. Die Rechtsprechung – unter anderem das OLG Hamm – stellt klar, dass außergewöhnliche Schneelasten nicht automatisch als höhere Gewalt gelten, wenn sie im regionalen und saisonalen Kontext grundsätzlich vorhersehbar sind. Entscheidend ist, ob Planung und Ausführung den bekannten Risiken angemessen Rechnung getragen haben.


Wind im Winter: Der unsichtbare Verstärker

Während Schnee sichtbar auf dem Bauwerk liegt, wirkt Wind oft im Verborgenen – und wird dennoch häufig unterschätzt. Gerade in der Weihnachtszeit verändern zusätzliche Installationen die aerodynamischen Eigenschaften von Gebäuden: Beleuchtungen, Banner, temporäre Überdachungen oder dekorative Elemente vergrößern angeströmte Flächen und verändern Lastannahmen.

Wie relevant solche Effekte sein können, haben wir bereits im vergangenen Jahr gezeigt. In unserem Beitrag über einen Weihnachtsbaum im Windkanal wurde deutlich, dass selbst scheinbar vertraute Objekte unter realistischen Strömungsbedingungen erhebliche Windlasten entwickeln können. Die dort ermittelten Strömungswiderstände machten anschaulich, dass Sicherheit nicht aus Gewohnheit entsteht, sondern aus Messung, Berechnung und fachlicher Bewertung. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für Weihnachtsmärkte, sondern für Bauwerke aller Art.

Auch rechtlich ist der Wind kein Randthema. Das OLG Köln hat in mehreren Entscheidungen zur Verkehrssicherungspflicht betont, dass zusätzliche – auch zeitlich begrenzte – Installationen in die Gefahrenbeurteilung einzubeziehen sind. Der Hinweis, eine Konstruktion sei „nur vorübergehend“ angebracht gewesen, schützt im Schadensfall nicht vor Haftung.


Kälte: Der stille Mitspieler

Neben Schnee und Wind wirkt im Winter ein dritter Faktor, der oft zu wenig Beachtung findet: die Temperatur. Niedrige Temperaturen beeinflussen das Materialverhalten, können Versprödung begünstigen und die Tragfähigkeit von Verbindungen reduzieren. Provisorische Befestigungen, die bei mildem Wetter unauffällig bleiben, können bei Frost versagen.
Besonders relevant ist dies bei temporären Konstruktionen, wie sie in der Weihnachtszeit häufig zum Einsatz kommen. Fliegende Bauten, Marktstände oder saisonale Überdachungen werden oft unter Zeitdruck errichtet – und genau hier zeigt sich, wie wichtig eine vorausschauende Planung ist.


Architektur, Gestaltung und Verantwortung

Für Architektinnen und Architekten beginnt die Verantwortung dabei häufig früher als gedacht. Nutzungskonzepte, gestalterische Details und saisonale Inszenierungen beeinflussen die späteren Lastannahmen unmittelbar. Attiken, auskragende Bauteile, Vordächer oder bewusst gesetzte Aufbauten prägen nicht nur das Erscheinungsbild eines Bauwerks, sondern auch dessen Verhalten bei Schnee und Wind.
Gerade in der Weihnachtszeit kommen zusätzliche Anforderungen hinzu: Beleuchtung, temporäre Installationen oder geänderte Verkehrsführungen. Was gestalterisch selbstverständlich erscheint, wird statisch und haftungsrechtlich relevant – und erfordert frühzeitige Abstimmung zwischen Architektur, Tragwerksplanung und Bauherrschaft.


Zwischen Berechnung und Realität

Normen liefern den unverzichtbaren Rahmen für die Planung. Doch Gerichte fragen im Schadensfall selten nur, ob formal korrekt gerechnet wurde. Maßgeblich ist, ob ein umsichtiger und verständiger Planer mit den konkreten Einwirkungen rechnen musste – und ob diese in der Planung berücksichtigt wurden. Der Bundesgerichtshof stellt dabei regelmäßig auf die Vorhersehbarkeit und Beherrschbarkeit von Risiken ab.
Oder anders gesagt:
Nicht alles, was festlich aussieht, ist statisch harmlos.


Ein Blick nach vorn

Auch im vergangenen Jahr haben wir auf hoai.de immer wieder gezeigt, wie eng technische Planung, architektonische Gestaltung und rechtliche Verantwortung miteinander verknüpft sind – zuletzt mit einem Blick auf den Weihnachtsbaum im Windkanal. Wir verstehen es als unsere Aufgabe, Sie mit juristischem Know-how durch diese Schnittstellen zu begleiten und Planungssicherheit zu schaffen.

Diese Unterstützung werden wir auch 2026 fortführen – mit fachlicher Einordnung, mit Praxisbezug und mit dem Ziel, Risiken frühzeitig erkennbar zu machen. Damit nicht nur die Weihnachtszeit das bleibt, was sie sein soll: ruhig, sicher und frei von unangenehmen Überraschungen.

 

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen frohe, sichere und fachlich gut vorbereitete Weihnachten.

Den neuen HOAI-Kommentar können Sie direkt hier bestellen:

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