HOAI-Forum
Prüfung einer Mindestsatzunterschreitung: Korrekter Umgang mit Honorarbestandteilen für Besondere Leistungen und Nebenkosten
Sehr geehrte Foren-Beitragende,
über eine Einschätzung zu folgender Fragestellung würde ich mich sehr freuen.
Es handelt sich um ein fiktives Szenario mit fiktiven Zahlen zur Verdeutlichung des korrekten Rechenweges.
Einschlägige HOAI: 2013.
Leistungsbild: Objektplanung.
Beauftragt sind Grundleistungen und Besondere Leistungen. Das Honorar für Grundleistungen und Besondere Leistungen ist separat ausgewiesen. Die Nebenkosten sind wie folgt vereinbart: „Die Nebenkosten mit Ausnahme der Kosten für ein Baustellenbüro und der Kosten für das Vervielfältigen des Leistungsverzeichnisse werden mit folgendem v.H.-Satz des Nettohonorars erstattet: 4 v. H.“
Behauptet wird eine Mindestsatzunterschreitung auf Grund einer zu niedrigen Honorarzone. Unterstellt wird, dass die vertraglich vereinbarte Honorarzone tatsächlich grob falsch ist.
Honorarzone gemäß Vertrag: II
Angemessene Honorarzone: III
Zur Ermittlung der Nachforderung ist nun eine Vergleichsberechnung anzustellen, die das Vertragshonorar dem Mindestsatzhonorar gegenüberstellt.
Das Vertragshonorar auf Grundlage der anrechenbaren Kosten und der Honorarzone II wird wie folgt angenommen.
- Honorar für die Grundleistungen (GLV): 100.000 €
- Pauschal-Honorar für die Besonderen Leistungen (BLV): 20.000 €
- Gesamt-Nettohonorar (GNHV = GLV + BLV): 120.000 €
- Nebenkosten 4 % von GNHV (NKV): 4.800 €
- Gesamt-Nettohonorar inkl. NK: 124.800 €
Das Mindestsatzhonorar auf Grundlage der anrechenbaren Kosten und der Honorarzone III wird wie folgt angenommen.
- Honorar für die Grundleistungen (GLM): 115.000 €
[Frage zur Berücksichtigung des Honorars für die Besondere Leistungen]
- Variante A:
Das Pauschal-Honorar für die Besonderen Leistungen (BLM) entfällt, da ein Gesamtvergleich anzustellen ist, und schlägt hier mit 0 € zu Buche. - Variante B:
Das Pauschal-Honorar für die Besonderen Leistungen beträgt unverändert 20.000 €.
[Frage zur Berücksichtigung der Nebenkosten]
- Nebenkosten Variante 1 – Nebenkosten wie ursprünglich vertraglich vereinbart
Nebenkosten 4 % von GNHV (NKV): 4.800 €
- Nebenkosten Variante 2 – Nebenkosten als Prozentsatz des Mindestsatzhonorars
Nebenkosten 4 % von GNHM (NKM): 4.600 € bzw. 5.400 €
Für das Gesamt-Nettohonorar inkl. Nebenkosten für die Mindestsatzberechnung ergeben sich somit vier Varianten.
Variante A1:
(Honorar für BL entfallen und NK auf Vertragshonorar)
GHHM: 115.000 €
NKV: 4.800 €
GNHM inkl. NK: 119.800 €
Variante A2:
(Honorar für BL entfallen und NK auf Mindestsatzhonorar)
GHHM: 115.000 €
NKV: 4.600 €
GNHM inkl. NK: 119.600 €
Variante B1:
(Honorar für BL bleiben bestehen und NK auf Vertragshonorar)
GHHM: 135.000 €
NKV: 4.800 €
GNHM inkl. NK: 139.800 €
Variante B2:
(Honorar für BL bleiben bestehen und NK auf Mindestsatzhonorar)
GHHM: 135.000 €
NKV: 5.400 €
GNHM inkl. NK: 140.400 €
Nach meiner eigenen Recherche ist die (juristisch) korrekte Berechnung des Mindestsatzhonorars jene in Variante A2. Im Rahmen des Gesamtvergleichs fallen die Honorare für Besondere Leistungen bei der Ermittlung des Mindestsatzhonorars nicht an. Vielmehr „tilgen“ die Zahlungen für Besondere Leistungen den Mindestsatz für die Grundleistungen. (Ob das aus „moralischer“ Perspektive sinnvoll ist, sei einmal dahingestellt.) Die als v.-H.-Satz des Nettohonorars vereinbarten Nebenkosten berechnen sich auf Grundlage des Mindestsatzhonorars.
Das Vertragshonorar inkl. Nebenkosten (124.800 €) übersteigt das Mindestsatzhonorar inkl. Nebenkosten (119.600 €). Eine behauptete Mindestsatzunterschreitung liegt nicht vor. Der Auftragnehmer hat Anspruch auf das Vertragshonorar.
Haben Sie vielen Dank für Ihre Einlassung und Rückmeldung im Voraus. Sollten Sachverhalte unklar beschrieben sein, bessere ich gern nach.
Freundlicher Gruß
Thomas Jentzsch
Obergerichtlich oder vom BGH wurde das noch nicht entschieden.
Die herrschende Meinung geht davon aus, dass das gesamte vertragliche Honorar dem Mindestsatzhonorar für Grundleistungen gegenüber zu stellen ist. Das bedeutet, dass Honorarmindestsätze für die erbrachten Teilleistungen bei den Grundleistungen ermittelt werden und sonst nichts. Denn ein gesetzliches Mindesthonorar für die Erbringung Besonderer Leistungen oder die Erstattung von Nebenkosten gibt es nicht. Beides durfte ganz legal für 0 € erbracht werden.
Die korrekte Lösung wäre also keiner ihrer vier genannten, das gesetzliche Mindesthonorar berechnet sich zu 100.000 €. Damit liegt keine Mindestsatzunterschreitung vor.
Korrektur/Ergänzung zur Klarstellung:
Die vorgenannte Betrachtung endet hier, sofern durch die Mindestsatzunterschreitung der gesamte Vertrag nichtig ist. Denn entweder bekommt der Planer das vertraglich vereinbarte Honorar (wenn keine Mindestsatzunterschreitung vorliegt) oder (wenn es höher ist) das vorgenannte Mindesthonorar.
Etwas anderes ist es, wenn der Vertrag eine salvatorische Klausel enthält ("Wenn eine Regelung nichtig ist, soll sie doch die gesetzliche Regelung ersetzt werden. Alle übrigen Vereinbarungen haben weiterhin Bestand"). In diesem Fall ist das Mindestsatzhonorar mit dem vertraglichen Grundleistungshonorar zu vergleichen und hiernach eine evtl. Mindestsatzunterschreitung festzustellen. Dabei können die vertraglichen Regelungen zu Nebenkosten und zur Vergütung besonderer Leistungen weiterhin gelten; das ist aber vom vertraglichen Einzelfall abhängig, d.h. dazu gibt es keine allgemeinen, immer gültigen Antworten.
Mit herzlichen Grüßen
Friedhelm Doell
ö.b.v. HOAI-Sachverständiger
doell@doellconsult.de
Sehr geehrter Herr Doell,
ich danke sehr für die Rückmeldung und die darin enthaltene Aufklärung.
Freundlicher Gruß
Thomas Jentzsch
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